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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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durch einen Sturz entstanden.»
    Arvaelo wedelte mit der Hand und berührte dabei den Kopf, der langsam hin und her rollte. In diesem Augenblick kroch eine lange, weiße Made aus der Augenhöhle des Toten. Der Schreiber würgte, rannte nach oben. Eddi Metzel wurde blass und schluckte, der Henker reichte wortlos die Branntweinflasche herum.
    Nur der Richter verfügte heute über starke Nerven. Es ist von Vorteil, sagte er sich, nicht allzu wach zu sein. Alles um mich herum nehme ich wie durch einen Nebel wahr. Vielleicht ist das nicht das Schlechteste bei Morden.
    «Der Leichenbeschauer soll den Mann zeichnen. Wir wissen noch immer nicht, wer er ist. Die Zeichnung muss sofort in eine Druckerei gebracht werden. Anschließendsollen die Büttel die Flugblätter in der ganzen Stadt verteilen. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht bald herausfinden, wer dieser Mann eigentlich ist und was er in Frankfurt wollte», ordnete er an.
     
    Schon den zweiten Abend hockte Hella im Roten Ochsen, der ihr von Stunde zu Stunde trübseliger erschien. Der Ton der trinkenden Handwerker schien ihr heute rauer und angriffslustiger als gestern, das Essen fader, der Wein dünner, die Luft schlechter. Obwohl sie von zu Hause weggelaufen war, empörte sich Hella insgeheim über Heinz. Hätte er sie nicht suchen müssen? War ihm gar nicht aufgefallen, dass sie weg war? War er am Ende sogar froh darüber? Wehe, wenn er mal nachts nicht nach Hause käme! Er würde erwarten, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um ihn zu finden und aus möglichen Gefahren zu befreien. Wenn Hella Heinz gewesen wäre, hätte sie die Büttel in jede Herberge, in jedes Schankhaus der Stadt geschickt. Sie hätte sämtlichen Torwächtern Bescheid gegeben, hätte die Hafenarbeiter informiert und wäre am Ende sogar bei der Poststation vorbeigegangen. Und Heinz? Was tat er? Nichts! Wahrscheinlich feierte er am Ende noch mit Felicitas, dass er endlich frei von ihr war!
    Hella spürte förmlich, wie die Wut ihr durch die Eingeweide kroch. Sie saß am Tisch und starrte vor sich hin.
    «Na?», fragte Isolde. «Geht’s Euch jetzt besser?»
    «Wieso?»
    «Weil ihr die ganze Zeit über mit den Zähnen geknirscht habt.»
    «Wirklich?» Hella fasste mit der Hand nach ihrem Kinn, schob es hin und her. Tatsächlich, sie verspürte ein leichtes Ziehen.
    «Es geht mir gut», log sie und bestellte noch einen Becher mit verdünntem Wein.
    In diesem Augenblick kam der Gehilfe Johann zur Tür hereingestürzt. Er schwenkte ein Flugblatt in der Hand und ließ sich vollkommen außer Atem auf die nächste Bank fallen. «Herrin», rief. «Herr Wirt, Herrin, kommt schnell. Ich muss Euch etwas zeigen.»
    Isolde kam aus der Küche gerannt und trocknete sich unterwegs die Hände an der Schürze ab. Ihr Schorsch hatte auf einem Schemel neben der Küchentür gesessen und gedöst. Verwirrt erhob er sich, zog die Beinkleider zurecht, gähnte herzhaft und trabte langsam näher. Auch die Gäste standen auf, und schon war der Tisch von Neugierigen umringt.
    Johann Lofer, der Gehilfe, hatte das Flugblatt in die Mitte des Tisches gelegt. Darauf war oben in der ersten Zeile zu lesen: «Wer kennt diesen Mann?»
    In der Mitte war die Zeichnung eines Kopfes abgebildet, darunter der Rumpf, ein Arm und ein Bein. Daneben stand mit knappen Worten beschrieben, wo die Körperteile gefunden worden waren. Nur der Fundort des Kopfes wurde verschwiegen.
    Isolde blickte darauf und schlug sich die Hand vor den Mund: «Ist   … ist   … Das ist doch nicht etwa der Juwelier aus Leipzig? Zerfaß, so war der Name. Der mit der Silberschmiedin in derselben Kolonne gekommen ist? Wo ist sie überhaupt? Sie muss das doch bestätigen können!»
    Die Wirtin sah sich um. Schorsch kratzte sich am Hintern. «Sie ist heute Morgen weg», knurrte er. «Gesagt hat sie, dass es sich hier nicht lohnt. Nachher wären die Straßen verstopft. Wenn sie sich aber jetzt einer Kolonne aus dem Polnischen anschlösse, käme sie sicher und pünktlich nach Hause. So ist das.»
    Er nickte dazu. Dann riss er seiner Frau das Flugblatt aus der Hand und starrte darauf. «Ich kenne den Burschen nicht. Und überhaupt. In meinem Haus verkehren nur anständige Leute. Von denen hat sich noch nie jemand einfach umbringen lassen.»
    Er warf das Flugblatt auf den Tisch und wandte sich ab. «Komm mit!», herrschte er seine Frau an, packte sie am Arm und zog sie hinter sich her in die Küche.
    Als der Gehilfe das sah, nahm er sich das Flugblatt,

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