Höllenknecht
Das hilft mir nicht wirklich weiter, dachte sie. «Könnt Ihr den Mann vielleicht beschreiben?»
«Wie denn? Ich habe ihn nie gesehen.»
«Wer hat Euch von der Loge erzählt?»
Die Druckerin Angelika schlenkerte mit den Beinen und lächelte stumm.
«Ich verstehe», sagte Hella. «Wenn Ihr mir verratet, wer Euer Zuträger ist, habt Ihr bald keinen mehr, nicht wahr?»
«So ist es», bestätigte die Druckerin. «Aber ich werde weiterhin Augen und Ohren offenhalten.» Sie rutschte vom Fass. «Vielleicht gelingt es mir am Ende doch noch, ein Exemplar von Doktor Faustens Höllenzwang aufzutreiben.»
«Jetzt lasst Euch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Herrgott. Also. Noch einmal von vorn. Woher kennt Ihr den Mann auf dem Flugblatt?»
Richter Blettner unterdrückte ein Seufzen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Vor seinem Schreibtisch hatte ein Mann Platz genommen, der sich als Wirt des Roten Ochsen ausgab.
«Juwelier aus Leipzig. Zerfaß mit Namen.»
«Aha. Und der hat bei Euch übernachtet?»
Der Wirt nickte.
Heinz sah ihn an. Ist der Kerl verstockt oder nur maulfaul?, fragte er sich. Wenn er verstockt ist, dann frage ich mich, warum er hier ist. Wenn er maulfaul ist, dann frage ich mich das auch.
«Wer hat Euch hergeschickt?»
Der Wirt sah hoch, sein Blick flackerte. «Bin Manns genug», brummte er. Der Richter beließ es einstweilen dabei.
«Der Juwelier Zerfaß aus Leipzig hat also bei Euch übernachtet.»
«Hm.»
«Wann ist er denn angereist?»
Der Wirt kratzte sich am Kopf. «Vor vierzehn Tagen etwa.»
«Genauer geht es nicht?»
«Weiß nur, die Messe hatte noch nicht begonnen.»
«Aha. Und wann verschwand er?»
Der Wirt zuckte mit den Achseln. «Hab anderes zu tun, als meine Gäste auszuspionieren.»
«Das verstehe ich. Ich habe auch anderes zu tun, als Euch beim Schweigen zuzuhören. Also. Wann habt Ihr den Juwelier zuletzt gesehen?»
«Vier Tage vor Messebeginn.»
«Aha. Erschien er irgendwie merkwürdig?»
Der Wirt kratzte sich erneut am Kopf und rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. «Aufgekratzt», erwiderte er schließlich.
«Aufgekratzt? Wer? Was?»
«Der Juwelier. Aufgekratzt war er an dem Abend, als ich ihn zuletzt gesehen habe.»
«Wie hat sich das bemerkbar gemacht?» Richter Blettner trommelte mittlerweile mit den Fingerspitzen der rechten Hand auf den Schreibtisch.
«Lokalrunde.»
Jetzt scharrten auch die Richterfüße ungeduldig über den Boden. «Himmelherrgott noch eins. Jetzt macht endlich den Mund auf, sonst stecke ich Euch wegen Behinderung der Ermittlungen ins Verlies.»
Der Wirt wurde blass. Verstockt presste er die Lippen zusammen und sah in seinen Schoß.
Der Schreiber hob die Gänsefeder. «Darf ich Euch darauf aufmerksam machen, Herr, dass der Wirt freiwillig gekommen ist. Ihr könnt ihn also nicht wegen Behinderung der Ermittlungen bestrafen.»
Der Schreiber sah triumphierend und selbstgerecht zu seinem Vorgesetzten, doch als er dessen Blick begegnete, räusperte er sich und beugte sich flugs über sein Papier.
«Also!»
«Der Mann kam in den Roten Ochsen und hat eine Lokalrunde gegeben. Ich habe gehört, wie er erzählt hat, dass er einem Kannengießer ein Zauberbuch verkauft habe.»
«Na bitte, geht doch. Und weiter?»
«Am nächsten Abend kam der Kannengießer in die Herberge gestürzt. Mit gesträubten Haaren verlangte er den Juwelier zu sprechen.»
«Und dann?»
«Ich habe ihn nach oben in das Zimmer des Leipzigers geschickt. Und von da an weiß ich nichts mehr.»
Der Wirt lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Der Richter nickte verständnisvoll. «Wie gut, dass Ihr keiner von denen seid, die ihre Gäste belauschen. Das ehrt Euch. Doch in diesem Falle ist es eher hinderlich. Wer, sagtet Ihr, hat Euch hergeschickt?»
«Niemand.»
«Und warum seid Ihr gekommen?»
«Bürgerpflicht.»
«Was habt Ihr erlauscht?»
«Nichts.»
«Schreiber, geht hinüber in die Ratsschänke und bringteine Kanne Wein. Ich vermute, unser Wirt hat heute so ungewohnt viel gesprochen, dass sein Mund ganz trocken ist.»
Der Schreiber guckte verblüfft.
«Ja, ja, ich weiß, dass es nicht üblich ist, bei einer Vernehmung Wein auszuschenken, aber bedenkt, Schreiber, der Mann ist freiwillig hier. Ihr sagtet es vorhin selbst.»
Der Schreiber schluckte, nickte und verschwand. Als seine Schritte auf dem Flur verklungen waren, beugte sich der Richter über den Tisch. «Du wärst der erste Wirt, der nicht weiß, was unter seinem
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