Höllenknecht
Dach geschieht. Du hast jetzt genau zehn Atemzüge lang Zeit, mir zu erzählen, was wirklich passiert ist und was du gehört hast.»
Der Wirt schluckte. «Sonst?»
Der Richter zuckte mit den Schultern. «Was soll sonst sein? Nichts natürlich. Aber deinen Namen, mein Lieber, den werde ich mir merken.»
«Also gut. Der Kannengießer wollte sein Geld zurück. Fünfzig Gulden, die er für ein Zauberbuch bezahlt hatte. Aber der Juwelier hat nur gelacht. ‹Du wolltest das Zauberbuch, nun hast du es›, hat er gesagt. Daraufhin hat der Kannengießer blutige Rache geschworen und ist dampfend vor Wut zur Tür hinaus.»
«Na, bitte, geht doch. Und wenn du mir jetzt noch den Namen des Kannengießers sagst, dann lasse ich dich sofort gehen.»
Der Wirt schüttelte den Kopf. «Den Namen weiß ich nicht. Wirklich nicht.»
Der Richter stand auf. «Gut, ich danke dir. Ich komme demnächst einmal bei dir vorbei, dann kannst du das Protokoll unterschreiben.»
Der Wirt des Roten Ochsen nickte und machte, dass er davonkam.
Heinz Blettner lehnte sich zurück und strich sich zufrieden über den Bauch.
Er dachte gerade darüber nach, ob er den Wein mit seinem Schreiber teilen musste, als es klopfte und der Wirt des Roten Ochsen zurückkam.
«Was ist denn noch?», fragte Blettner.
«Der Schlüssel zu meinem Weinkeller ist verschwunden.»
«Dann sucht ihn.»
«Nix da. Anzeigen will ich den Diebstahl.»
Der Richter seufzte. Gerade kam der Schreiber zurück. Heinz nahm ihm den Weinkrug aus der Hand und befahl: «Der Wirt ist bestohlen wurden. Setzt Ihr eine Anzeige auf. Ich bin beim Schultheiß.»
Gustelies hatte lange überlegt, ob sie es tun sollte. Schließlich war sie Witwe und obendrein noch die Haushälterin eines Paters. Der war zwar ihr Bruder, aber so leibesfeindlich, wie man als Pater nur sein konnte.
Sie dagegen war nicht nur Frau, sondern ein Weib mit Haut und Haaren und Leib und Seele. Das zumindest hatte einmal ihr Mann, der verstorbene Richter Kurzweg, zu ihr gesagt. Doch noch bevor sich Gustelies über dieses Lob hätte freuen können, hatte er hinzugefügt: «Und genau das macht mir Angst.»
Früher hatte sie nicht verstanden, was einem Mann an einer Frau Angst machen konnte. Jetzt wusste sie es. Sie war eine leidenschaftliche Frau. Eine von denen, die aus Liebe sterben konnten. Eine, die sich hingeben konnte bis zum letzten Seufzer. Und Männer, die lieber alles für sich behielten, insbesondere ihre Gefühle, denen machte sie eben Angst. Ihr Bruder gehörte dazu, aber das machte nichts,denn er war ja ihr Bruder. Dass ihr Mann zeitlebens ebenfalls viel zurückgehalten hatte, hatte ihr oft Kummer gemacht. Aber er hatte Qualitäten besessen, die diesen Mangel aufwogen. Doch daran wollte sie nicht denken. Nicht jetzt, denn jetzt fühlte sie sich wie ein junges Weib. In ihrem Bauch kribbelte es. Nein, sie gehörte noch lange nicht zum alten Eisen.
Sie hatte sich das Haar frisch gewaschen und mit Kamille gespült. Ihre Augenbrauen waren ordentlich gezupft, die Augen mit Belladonna ein wenig dunkler getropft. Sie sah nun zwar etwas verschwommen, doch das machte nichts. Auf Schminke hatte sie verzichtet, aber nicht darauf, sich ein wenig auf die Lippen zu beißen und hin und wieder in die Wangen zu kneifen. Nun legte sie sich winzige Steinchen in den Schuh. So würde sie nur vorsichtig auftreten und langsam gehen können. Wie eine Dame eben. Und nicht wie die Haushälterin eines Pfarrers, die vor Pflichten bisweilen nicht wusste, wo ihr der Kopf stand. Sie griff ihren großen Weidenkorb, in dem einige Pfannen und Schüsseln warm verpackt bereitstanden, und machte sich auf den Weg in die Fahrgasse.
Josef Dübler und Pater Nau waren unterdessen damit beschäftigt, die Fensterläden im Pfarrhaus zu reparieren. Zwischendurch ließen sie sich den Apfelkuchen schmecken, den Gustelies heute Morgen aus dem Rohr gezogen hatte.
Am Haus ihres Schwiegersohnes traf sie auf Arvaelo, genau so, wie sie sich das gewünscht hatte. Die beiden Männer saßen hinter dem Haus, und Heinz war gerade dabei, seinem Gast von der Vernehmung des Wirtes zu erzählen.
Als Gustelies den Garten betrat, erhob sich der Sarazene. Er trat ganz dicht an sie heran. Gustelies schnupperte. Hmm. Sandelholz. Ein wenig Moschus vielleicht. EinHauch Nelken? Jedenfalls ein Geruch, der sie betörte und den sie noch nie vorher gerochen hatte.
Arvaelo nahm ihre Hand und beugte sich darüber zu einem angedeuteten Handkuss. Dann richtete er sich auf und sah
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