Hoellennacht
Seiten. » Er liebt sie?«, zischte sie. » Er ist jetzt seit vierundzwanzig Jahren mit mir verheiratet, und er liebt sie?«
Nightingale trat zu seinem DVD -Spieler und schob eine Diskette ein. Dann setzte er sich wieder, während Mrs. Brierley auf den Bildschirm schaute. Kameratechnisch machte die Aufnahme nicht viel her, aber Nightingale war engagiert worden, um einen Mann zu überwachen, nicht um einen Hollywoodfilm zu drehen. Die erste Aufnahme hatte er hinter einem Baum hervor gemacht. Brierley kam in seinem dunkelblauen Toyota an, ein nichtssagender Mann in einem nichtssagenden Auto. Mit federnden Schritten ging er zum Empfangstresen des Hotels, in der Hand eine Tragetasche eines nahe gelegenen Spirituosengeschäfts. Nightingale hatte es geschafft, näher an den Hoteleingang heranzukommen, und hatte Brierley dabei gefilmt, wie er sich anmeldete und einen Schlüssel erhielt.
Der nächste Filmabschnitt zeigte die eintreffende Frau. Er hatte sie beim Parken ihres BMW s gefilmt und war ihr zum Eingang gefolgt. Wie Brierley, so blickte auch sie sich nicht um und war eindeutig unbesorgt, dass ihr jemand folgen könnte.
Mrs. Brierley starrte auf den Bildschirm, der Mund ein schmaler Strich.
Die letzte Aufnahme zeigte Mr. Brierley und die Frau, die das Hotel gemeinsam verließen. Er brachte sie zu ihrem Auto, küsste sie und ging dann zu seinem Toyota.
Nightingale stellte den DVD -Spieler mit der Fernbedienung aus. » Ihr Mann hat bar bezahlt, aber ich habe eine Kopie der Quittung.« Er schob sie seiner Klientin über den Tisch hinweg zu, aber die starrte noch immer den leeren Bildschirm an, die brennende Zigarette zwischen den Fingern. » Der Name der Frau lautet Brenda Lynch. Sie ist…«
» Ich weiß, wer sie ist«, sagte Mrs. Brierley.
» Sie kennen sie?«
» Sie ist meine Schwester.«
Nightingale blieb der Mund offen stehen. » Ihre Schwester?«
» Wussten Sie das nicht?«, fragte Mrs. Brierley. Sie zwang sich zu einem Lächeln. » Sie sind mir ja ein schöner Detektiv. Lynch ist mein Mädchenname.« Sie zog lang an ihrer Zigarette, behielt den Rauch in der Lunge und atmete ihn dann langsam aus.
» Es tut mir leid«, sagte Nightingale.
Sie wischte seine Entschuldigung beiseite, als wäre sie ein lästiges Insekt. » Wie viel schulde ich Ihnen, Mr. Nightingale?«
» Miss McLean draußen hat Ihre Rechnung«, antwortete Nightingale.
Mrs. Brierley drückte den Rest ihrer Zigarette im Aschenbecher auf seinem Schreibtisch aus.
» Tut mir leid«, wiederholte Nightingale.
» Es gibt nichts, was Ihnen leidtun müsste«, sagte sie und stand auf. » Sie haben sehr professionelle Arbeit geleistet, Mr. Nightingale.« In ihren Augen standen Tränen. » Vielen Dank.«
Nightingale machte ihr die Tür auf. » Mrs. Brierley hätte gerne die Rechnung, Jenny«, sagte er.
» Hier ist sie«, sagte Jenny und reichte sie ihr. Mrs. Brierley holte ihr Scheckbuch hervor, während Nightingale in sein Büro zurückging.
Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und drückte den Rest seiner Zigarette aus. Auch wenn er den Leuten nicht gerne schlechte Nachrichten überbrachte, gehörte es doch zu seinem Job. Wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau den Verdacht hegte, dass der Partner etwas laufen hatte, lag er in neunundneunzig Prozent von hundert richtig. In Mrs. Brierleys Fall waren die Warnhinweise unerwartete Abbuchungen vom gemeinsamen Girokonto gewesen, häufige abendliche Abwesenheit ihres Mannes, der dann angeblich im Büro war, und eine neue Rasierwassermarke im Bad. Nightingale bemerkte, dass sie die Unterlagen des Mobilfunkanbieters und die Hotelquittung liegen gelassen hatte und wollte ihr schon nachlaufen, überlegte es sich aber anders– vielleicht wollte sie diese Papiere ja gar nicht. Er fragte sich, was sie nun, da sie die Wahrheit wusste, tun würde. Sie würde sich sicherlich von ihrem Mann scheiden lassen und wahrscheinlich auch die Familie ihrer Schwester zerstören. Sie hatte drei Kinder, und zwei von ihnen lebten noch zu Hause, daher würde sie wahrscheinlich das Haus behalten, und Mr. Brierley würde irgendwo in einer Mietwohnung landen, entweder mit oder ohne die Gesellschaft seiner Schwägerin.
Nightingale wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu und begann Metro zu lesen, die kostenlose Zeitung, die Jenny mitgebracht hatte. Kurz darauf hörte er, wie Mrs. Brierley ging. Es klopfte leise an seiner Tür, und Jenny kam herein. Sie brachte einen Becher Kaffee. » Du kannst wohl Gedanken lesen«, sagte er.
»
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