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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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vollgestellt, und es herrschte ein feuchter, staubiger Geruch, der Nightingale an den Verschlag erinnerte, in dem er als Kind seine Höhle gebaut hatte. Vor dem Schreibtisch standen zwei Stühle. Beide waren unter Stapeln staubiger Akten begraben, die mit rotem Band zusammengebunden waren. » Legen Sie die bitte auf den Boden«, sagte der Anwalt, humpelte um seinen Schreibtisch herum und setzte sich in einen hochlehnigen Ledersessel. Er lehnte den Stock hinter sich an das Fensterbrett und wandte sich dann mit düsterer Miene Nightingale zu. » Zuerst möchte ich Ihnen sagen, wie leid mir Ihr Verlust tut«, erklärte er.
    Nightingale legte die Akten wie gebeten weg und setzte sich. » Mein Verlust?«, fragte er.
    » Ihr Vater.«
    » Mein Vater?« Nightingale hatte keine Ahnung, wovon der Anwalt sprach. Er nahm die Brieftasche heraus und reichte Turtledove eine seiner Visitenkarten. » Ich bin Jack Nightingale. Ich bin wegen eines Auftrags hier.«
    Turtledove suchte stirnrunzelnd nach seiner Brille und merkte, dass er sie in die Stirn geschoben hatte. Er rückte sie herunter, las die Karte und lächelte Nightingale dann freundlich an. » Ich habe keinen Auftrag für Sie, Mr. Nightingale. Ich bedaure das Missverständnis. Ich bin der Testamentsvollstrecker Ihres Vaters.«
    Nightingale zog die Augenbrauen hoch. Jetzt war er sogar noch verwirrter. » Die Erbschaft meiner Eltern wurde vor über einem Jahrzehnt abgewickelt.«
    Turtledove brummte etwas Missbilligendes. Er ging einen Stapel Akten auf seinem Schreibtisch durch und zog eine heraus. » Ihr Vater ist vor drei Wochen gestorben«, sagte er.
    » Meine Eltern sind ein paar Tage nach meinem neunzehnten Geburtstag bei einem Autounfall ums Leben gekommen«, entgegnete Nightingale. Es war ein sinnloser Unfall gewesen. Sie hatten vor einer roten Ampel gehalten, und ein Lastwagen war von hinten in sie hineingebrettert. Das Auto seiner Eltern war bei dem Aufprall in Flammen aufgegangen, und dem jungen Polizisten zufolge, der Nightingale die schlechte Nachricht überbracht hatte, waren seine Eltern sofort gestorben. Im Laufe der Jahre hatte Nightingale begriffen, dass der Beamte das gesagt hatte, um die Nachricht erträglicher zu machen. Höchstwahrscheinlich waren sie in den Flammen umgekommen, schreiend vor Schmerzen. Polizisten mussten lügen– oder die Wahrheit zumindest verbiegen–, um schlechte Nachrichten weniger schmerzhaft zu machen. Aus Erfahrung wusste er, dass die Opfer bei Autounfällen nur selten sofort starben. Meistens war das Ganze mit Qualen, Blut und Schmerzensschreien verbunden.
    » Ihre Adoptiveltern«, sagte Turtledove mit wissendem Nicken. » Bill und Irene Nightingale.«
    » Ich bin kein Adoptivkind«, entgegnete Nightingale. » Die beiden waren meine Eltern– ihre Namen stehen auf meiner Geburtsurkunde. Und sie haben nie gesagt, dass ich adoptiert worden sei.«
    » Das mag ja sein, aber die beiden waren dennoch nicht Ihre leiblichen Eltern.« Er klappte die Akte auf und nahm ein Blatt heraus, das er Nightingale über den Schreibtisch hinweg reichte. » Das hier sind Ihre Daten, oder? Stimmen das Geburtsdatum, die Sozialversicherungsnummer, die von Ihnen besuchten Schulen und die Universität?«
    Nightingale überflog das Blatt. » Das bin ich«, sagte er.
    » Dann war Ihr Vater Ainsley Gosling, und es ist mir zugefallen, sein Testament zu vollstrecken.« Er lächelte. » Gerade ist mir aufgefallen, dass ich ein Turtledove bin, Sie ein Nightingale, und dass Ihr Vater ein Gosling war. Lauter Vögel. Was für ein Zufall.«
    » Nicht wahr«, gab Nightingale zurück. » Aber ich habe noch nie von diesem Ainsley Gosling gehört. Und ich bin mir verdammt sicher, dass ich kein Adoptivkind war.«
    » Sie sind bei der Geburt adoptiert worden, was wohl der Grund dafür ist, dass die Namen Ihrer Adoptiveltern auf der Geburtsurkunde stehen. Heute wäre das natürlich undenkbar.«
    » Das ist doch Stuss«, knurrte Nightingale.
    Turtledove presste die Lippen zusammen. » Es ist nicht nötig, ausfallend zu werden, Mr. Nightingale. Ich begreife, dass das ein Schock für Sie ist, aber ich bin nur der Überbringer der Nachricht. Keiner hat mir gesagt, ob Sie wussten, dass Mr. Gosling Ihr leiblicher Vater war.«
    » Entschuldigen Sie bitte«, sagte Nightingale. » Wenn er mein Vater war oder ist, wer ist dann meine Mutter?«
    » Leider ist mir diese Information nicht bekannt.«
    Nightingale angelte sein Päckchen Marlboro heraus. » Darf ich rauchen?«
    » Leider

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