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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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dass Sie mich nicht auffordern werden, von hier zu verschwinden. Tun Sie also Ihre Arbeit, und lassen Sie mich zu ihm, und hören Sie auf, mir gegenüber das Arschloch zu spielen, denn ich habe im Laufe der Jahre schon mit einigen richtig harten Burschen zu tun gehabt, und glauben Sie mir, denen können Sie nicht das Wasser reichen.«
    Sylvia spannte die Kinnlade an, und wenn Blicke hätten töten können, wäre es jetzt um Nightingale geschehen gewesen, aber er sah in ihren Augen, dass er recht hatte. Sie besaß nicht die Autorität, ihn von dem Mann fernzuhalten, den er aufsuchen wollte. Sie ging an ihm vorbei, so nah, dass er den feinen Duft ihres Parfüms roch. » Folgen Sie mir«, sagte sie.

54
    Sebastian Mitchell befand sich in einem Raum im Erdgeschoss, das auf den Garten hinter dem Haus hinausging. Der Boden war mit demselben weißen Marmor ausgelegt, der auch in der Eingangshalle verwendet worden war, und die Wände waren weiß gestrichen. Mitchell saß in einem grünledernen Ohrensessel, über Mund und Nase eine Sauerstoffmaske, von der ein dünner, durchsichtiger Schlauch zu einem hohen Zylinder führte, der links hinter ihm stand. Ein Herzüberwachungsgerät war mit einem Sensor auf seiner Brust verbunden.
    Er war ein alter Mann, mindestens neunzig, mit fedrigem, weißem Haar und einer grauen, von Leberflecken gesprenkelten Haut. Er trug einen ähnlichen Bademantel wie Nightingale, vorne offen, und darunter weiße Baumwollboxershorts. An den Füßen hatte er blassblaue Pantoffeln.
    Der Raum war groß, beinahe so groß wie der Hauptraum in Gosling Manor. Glastüren gingen auf eine steingeflieste Terrasse hinaus, die ihrerseits zu weiten Rasenflächen führte; diese waren so glatt wie ein Billardtisch. In jeder Ecke des Raums stand ein Leibwächter. Im Gegensatz zu den Männern draußen hatten sie ihre Jacketts ausgezogen, die Sonnenbrillen hatten sie dagegen aufbehalten. Zwei trugen Schulterhalfter aus Nylon mit Glock-Pistolen, einer eine Ingram- MP an einem Riemen und der vierte hielt eine Schrotflinte vor der Brust. Sie starrten regungslos geradeaus.
    Nightingale ging auf Mitchell zu, und seine nackten Füße klatschten auf den Marmorboden. Sylvia folgte ihm, das Klacken der hohen Absätze wie ein zu stark aufgedrehtes Metronom. » Nicht zu dicht, vergessen Sie das nicht, Mr. Nightingale«, ermahnte sie ihn.
    Ein schwarzer Kreis lief über den Boden und umschloss die Spitzen eines fünfzackigen Sterns. Zunächst dachte Nightingale, das Bild sei auf den Marmor aufgemalt worden, aber als er näher herankam, sah er, dass es tatsächlich in den weißen Marmor eingelassen war. Es gab noch andere Zeichen in dem Kreis, sonderbare Markierungen und Buchstaben eines Alphabets, das er nicht kannte. An jeder Spitze des Sterns brannte eine große, weiße Kerze, aber es gab keinen Rauch, nur reine, gelbe Flammen. Das einzige andere Möbelstück im Zimmer war ein Krankenhausbett, das in der Mitte des Kreises neben dem Sessel stand.
    » Danke, dass Sie mich empfangen«, sagte Nightingale.
    Mitchell hustete und setzte dann die Sauerstoffmaske ab. » Sie haben die Augen Ihres Vaters«, sagte er. » Und die Kinnpartie.«
    » Ich glaube nicht, dass sonst irgendjemand eine Familienähnlichkeit erkennt«, meinte Nightingale.
    » Hat er Sie geschickt?«, fragte Mitchell.
    » Er ist tot«, antwortete Nightingale.
    Mitchell runzelte die Stirn und rückte die Sauerstoffmaske wieder vors Gesicht. » Wie ist er gestorben?«
    » Selbstmord.«
    » Wie?«
    » Mit der Schrotflinte in den Kopf.«
    » Wann?«
    » Letzte Woche.«
    Mitchell begann zu lachen, aber das Lachen ging bald in ein Husten über. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, zog er ein Papiertaschentuch aus einer Schachtel und betupfte sich die Lippen. Es hatte rote Flecken, als er es wegnahm. Er knüllte es zusammen und warf es in einen stählernen Abfalleimer. » Wie alt sind Sie?«, fragte er.
    » Nächsten Freitag werde ich dreiunddreißig.«
    Mitchell nickte langsam, und ein grausames Lächeln trat in sein Gesicht. » Heute ist der Tag des Herrn, es sind also nur noch fünf Tage«, sagte er. » Er hat versucht, aus dem Vertrag herauszukommen, wissen Sie das?«
    » Er hat mir ein Video hinterlassen, in dem er mir alles berichtet hat.«
    Mitchell lachte scharf auf. » Ich glaube kaum, dass er Ihnen alles berichtet hat«, sagte er. » Aber er hat seine Zeit verschwendet. Es gab nichts, was er tun konnte. Und deswegen sind Sie jetzt natürlich zu mir gekommen. Aber

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