Hoellennacht
Sie verschwenden ebenfalls Ihre Zeit, genau wie Ihr Vater.«
» Er hat Sie um Hilfe gebeten?«
» Ich glaube nicht, dass Ihr Vater in seinem Leben je um etwas gebeten hat. Er hat gefordert. Er hat gedroht. Er hat verhandelt. Aber selbst wenn er sich vor mir niedergekniet und mich angefleht hätte, selbst wenn ich ihm hätte helfen wollen, hätte sich doch nichts machen lassen. Vertrag ist Vertrag.« Er beugte sich vor, regelte die Sauerstoffzufuhr, nahm mehrere tiefe Atemzüge aus der Maske und lehnte sich in seinen Sessel zurück. » Haben Sie mein Buch gelesen?«
» Zum Teil.«
» Sie können Latein lesen?«
» Eine Freundin hat mir geholfen.«
» Dann wissen Sie also, was Ihnen bevorsteht?«
» Ich sagte, dass ich es gelesen habe. Aber nicht, dass ich es glaube.«
Mitchell hustete und setzte die Maske wieder ab, um sich die Lippen zu betupfen. Das blutbefleckte Papiertaschentuch folgte dem ersten in den Abfalleimer. » Es spielt keine Rolle, ob Sie es glauben oder nicht. Vertrag ist Vertrag.«
» Warum an meinem dreiunddreißigsten Geburtstag? Warum hat der Teufel, mit dem Gosling den Vertrag abgeschlossen hat, meine Seele nicht gleich nach der Geburt geholt?«
» Eine Seele, die nicht gelebt hat, hat keinen Wert«, antwortete Mitchell. » Es gibt sieben Zyklen zu je elf Jahren. Der Beginn des vierten Zyklus, wenn der Körper seine Blütezeit erreicht hat, ist der kostbarste.«
» Und der Vertrag sah vor, meine Seele gegen Reichtum und Macht einzutauschen?«
» Ich weiß nicht, was Ihr Vater verlangt hat. Aber was immer es war, er hat es bereut. Am Ende.«
» Und da ist er dann zu Ihnen gekommen?«
» Er ist immer wieder gekommen. Jede Woche stand er vor meiner Tür. Er wusste, dass ich einen Vertrag mit Proserpina geschlossen hatte. Und da dachte er, ich könnte ihm aus dem Vertrag heraushelfen, den er selbst abgeschlossen hatte.«
» Proserpina?«
Mitchell grinste. » Sie wissen wirklich gar nichts, oder?«
» Ich befinde mich auf einer ziemlich steilen Lernkurve, ja.«
» Proserpina ist die Teufelin, mit der Ihr Vater den Vertrag geschlossen hat. Ein Biest der ersten Ordnung.«
» Und Sie wollten ihm nicht helfen?«
» Ich wollte nicht, ich konnte nicht, das läuft aufs Gleiche hinaus. Vertrag ist Vertrag und Schluss.« Er kicherte. » Schluss mit Ihnen.«
» Warum haben Sie ihm Ihr Tagebuch gegeben, wenn Sie ihm nicht helfen wollten?«
Mitchell kicherte trocken. » Das glauben Sie also? Dass ich es ihm gegeben habe? Ihr Vater hat es mir gestohlen. Er hat seine Leute nachts hierhergeschickt. Sie haben zwei von meinen Männern getötet und es mitgenommen.«
» Warum eigentlich? Was ist denn so wichtig an Ihrem Tagebuch?«
» Er dachte, es würde ihm eine Möglichkeit zeigen, aus dem Vertrag herauszukommen. Aber da irrte er sich. Im Buch stehen viele Dinge, aber aus einem Vertrag mit Proserpina herauszukommen, ist keine Option.«
» Wie wäre es, wenn ich Ihnen das Tagebuch zurückgäbe?«
Mitchell starrte Nightingale an. » Das wäre ehrenwert von Ihnen«, sagte er.
» Wenn ich es täte«, meinte Nightingale, » was könnten Sie dann für mich tun?«
» Was hätten Sie denn gerne?«
» Ich will einfach nur das alles hier vergessen und mit meinem Leben weitermachen, Mr. Mitchell.«
» Das ist leider keine Option«, erklärte Mitchell. Er hustete wieder los und beugte sich vor, um die Sauerstoffzufuhr zu regeln. Er tat mehrere tiefe Atemzüge, um sich unter Kontrolle zu bekommen. » Mit einem Teufel, irgendeinem Teufel, einen Vertrag zu schließen, das ist durchaus einfach. Die Informationen sind zu haben. Die Teufel wollen kontaktiert werden, sie wollen Verträge schließen. Dafür sind sie ja da– um Seelen zu ernten. Selbst jemand, der im Bereich des Okkultismus nur dilettiert, findet bald heraus, wie man einen Teufel beschwört. Früher haben die Leute in Büchern nachgelesen, aber heute ist es das Internet. Google wirft Zehntausende von Seiten aus, die einem sagen, was man tun muss. Wenn der Vertrag aber einmal geschlossen ist, gibt es kein Zurück mehr. Das habe ich auch Gosling gesagt, er hat trotzdem immer wieder nachgefragt und mich bedrängt. Er dachte, die Antwort wäre in meinem Tagebuch zu finden, aber so ist es nicht. Im Tagebuch steht, wie man Proserpina und ihresgleichen beschwört, aber nicht, wie man von einem Vertrag zurücktritt.«
» Und was haben Sie bekommen? Was wollten Sie von ihr?«
Mitchell grinste höhnisch. » Das bleibt zwischen mir und Proserpina«,
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