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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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sei vom King’s College, London angenommen worden. Mit Tränen in den Augen hatte Nightingales Vater ihm gesagt, er sei das erste Familienmitglied, das je zur Universität gegangen sei. Nightingale war sich sicher, wenn er wirklich ein Adoptivkind gewesen wäre, hätten seine Eltern das nicht vor ihm verborgen.
    Nightingale holte tief Luft, um sich zu beruhigen, legte den ersten Gang ein und fuhr wieder los. Zu seiner Rechten lag ein vor kurzem gepflügtes Feld, und zu seiner Linken zog sich eine zwei Meter hohe Steinmauer entlang. Weiter vorn sah er eine Unterbrechung in der Mauer und einen großen, runden Metallspiegel, der an einem Baum befestigt war. Er fuhr langsamer.
    Er entdeckte ein Metalltor und ein Schild: Gosling Manor. Er hielt vor dem Tor und stieg aus dem MGB . Auf der anderen Seite schlängelte sich ein schmales, asphaltiertes Sträßchen nach rechts in einen dichten Wald hinein. Es waren überwiegend Laubbäume, die ihre Blätter zum größten Teil abgeworfen hatten und deren nackte Äste sich wie Skelette in den grauen Novemberhimmel reckten. Die Torflügel waren mit einer dicken Kette und einem Vorhängeschloss aus Messing verschlossen. Nightingale nahm die Schlüssel heraus, die Turtledove ihm gegeben hatte. Der eine passte ins Vorhängeschloss. Er zog die Kette heraus, stieß die Torflügel auf und stieg wieder in seinen Wagen.
    Langsam folgte er dem Sträßchen, das erst eine Kurve nach rechts und dann eine nach links machte. Als der Wald lichter wurde, erblickte er ein Haus und hielt den Wagen an. Es war ein herrschaftliches Wohnhaus von der Art, wie man es auf dem Titelbild der Zeitschrift Country Life sieht, oder auf einer Schachtel Pralinen, die man einem älteren Verwandten zu Weihnachten schenkt. Das Haus war zum größten Teil aus Sandstein erbaut, mit einem Obergeschoss aus verwittertem Backstein, zwei Stockwerke hoch und hatte ein steiles Ziegeldach von beinahe derselben Farbe wie die Backsteine, aus dem vier mächtige Schornsteine emporragten, die dem Ganzen den Anstrich eines Ozeandampfers gaben. Leuchtend grüner Efeu war an den Mauern hochgezogen worden und reichte von unten bis zum Dach. Die Hauptranken waren so dick wie das Handgelenk eines Mannes. Auch der Eingang war von Efeu umwachsen, eine schwere Eichentür mit reich verzierten, schwarzen Angeln. Die Fensterrahmen waren weiß gestrichen, und links vom Hauptgebäude stand eine Backsteingarage mit vier Türen, ebenfalls weiß gestrichen, und einem zum Haupthaus passenden Ziegeldach. Links vom Haus schienen ein großartiger Wintergarten und dahinter noch ein weiterer Flügel nachträglich angebaut worden zu sein. Das Haus wirkte irgendwie so, als wäre es nicht gebaut worden, sondern aus dem Boden gewachsen, als hätte es sich als ein lebendes, atmendes Wesen aus der Erde geschoben.
    Nightingale fuhr langsam darauf zu. Das Sträßchen führte zu einem Parkplatz, der groß genug für mehrere Dutzend Fahrzeuge und jetzt mit totem Laub übersät war. In seinem Zentrum stand ein wuchtiger Steinbrunnen mit einer von Delphinen und Fischen begleiteten Meerjungfrau als Schmuckstück in der Mitte; es war kein Wasser darin. Nightingale parkte den MGB und stieg aus. Er schaute zu dem Sträßchen zurück, das im Wald verschwand. Von der Landstraße war nichts zu sehen, und es gab keine anderen Geräusche als Vogelgesang und gelegentliches Hundegebell in der Ferne. Er wandte sich wieder dem Haus zu. » Und das gehört mir, alles mir«, brummte er in sich hinein. Als Turtledove ihm die Schlüssel gegeben hatte, hatte Nightingale angenommen, es müsse sich um irgendeinen Fehler handeln, aber als er jetzt dastand und das riesige Haus betrachtete, wurde ihm klar, dass solche Fehler nicht passierten– einen Landsitz im Wert von mehreren Millionen Pfund erhielt man nicht versehentlich. Es waren gewiss Überprüfungen angestellt worden, und das Haus konnte nur ihm gehören, wenn Ainsley Gosling tatsächlich sein Vater gewesen war.
    Von dem Gedanken, dass seine Eltern ihn so vollkommen belogen hatten, schwirrte ihm der Kopf. Wenn er wirklich adoptiert worden war, konnten sie das Geheimnis doch gewiss nicht für sich behalten haben. Andere Familienmitglieder mussten Bescheid gewusst haben– Babys tauchten nicht einfach so aus dem Nichts auf. Er nahm sein Handy heraus, scrollte durch sein Adressbuch und rief seinen Onkel Tommy an. Seit Weihnachten, als er nach Altrincham gefahren war, um den Feiertag mit Onkel und Tante zu verbringen, hatte er nicht

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