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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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weggeschossen. Vielleicht…« Er verstummte.
    » Was, Jack? Was meinst du?«
    » Ich bin Polizeivermittler gewesen– das weißt du. Jeder glaubt, die Vermittler machen dasselbe wie im Fernsehen, reden ständig mit Geiselnehmern oder holen Verbrecher aus Banken und überreden sie, ihre Waffen abzugeben, bevor jemand zu Schaden kommt. Aber so ist es nicht. Meistens geht es um einen Familienkrach, der aus dem Ruder gelaufen ist, oder da ist ein armes Schwein, das sich umbringen will– oder das will, dass man ihm die Selbstmordabsichten ausredet.« Er trank einen ordentlichen Schluck Bier. » Jesus, ich brauch eine Zigarette.«
    » Das ist die Schönheit unserer Gesetzgebung«, sagte Jenny. » Man gestattet dir nur ein Vergnügen auf einmal.«
    » Manchmal wollen sie einfach nur jemanden, mit dem sie reden können«, fuhr Nightingale fort. » Da war eine Frau in Tower Hamlets– jedes Mal, wenn sie Streit mit ihrem Mann hatte, nahm sie sich ein Messer, hockte sich in ihren Garten und drohte damit, sich zu erstechen. Dann fuhr immer ein Vermittlerteam dort raus, und nach ein, zwei Stunden und ein paar Zigaretten gab sie uns das Messer, begann zu weinen und sagte, dass sie ihren Mann liebte, obwohl er sie jedes Mal verprügelte, wenn er ein paar Drinks intus hatte.«
    » Sie war gar keine richtige Selbstmordkandidatin?«
    » Sie wollte einfach nur jemanden, mit dem sie reden konnte, und durch die Drohung, sich etwas anzutun, bekam sie es. Im Laufe der Jahre habe ich sie dreimal gesehen. Ich wusste, welche Zigarettenmarke ich mitnehmen musste und auf was sie ansprang. Emma hieß sie. Wahrscheinlich macht sie das immer noch.« Er schlürfte sein Bier und nahm dann einen großen Schluck. » Es war nicht schwer, sich in sie einzufühlen. Sie steckte in einem Leben fest, das sie hasste, mit einem Mann, der Gefühle durch Gewalt zeigte, und sie hatte ein halbes Dutzend Fehlgeburten hinter sich, wahrscheinlich eine Folge von Alkohol, Drogen und Nikotin. Man konnte verstehen, dass sie die Fassung verlor. Und wenn man jemanden erst einmal versteht, kann man auch vermitteln, verhandeln. Man kann den Leuten sagen, was sie hören wollen.«
    » Und sie wollte, dass jemand sich um sie sorgte?«
    » Das war schon alles. Jemand, der ihr zuhörte, der ihr bewies, dass sie wichtig war, dass ihr Leben einen Wert hatte.«
    » Und warst du wirklich um sie besorgt, oder hast du das nur gespielt?«
    » Es war mir ernst– natürlich war es mir ernst. Sie war ein Mensch, der sich quälte. Wie hätte mich das gleichgültig lassen sollen?« Er trank sein Corona aus und machte der Kellnerin erneut ein Zeichen. » Aber die Menschen, die sich wirklich umbringen wollen, sind vollkommen anders. Wenn man ihnen in die Augen blickte, kapierte man irgendwie sofort, dass mit ihnen etwas nicht stimmte. Man wusste ohne einen Hauch von Zweifel, dass sie es tun würden und dass man nur aus einem einzigen Grund da war, nämlich weil sie ein Publikum brauchten.«
    » Warum brauchten sie denn ein Publikum?«
    Nightingale zuckte die Schultern. » Was weiß ich? Ein Verrückter handelt nicht logisch. Genau das bedeutet Verrücktsein ja.«
    » Verrückt ist, wer Verrücktes tut?«, fragte Jenny. » Streng nach Forrest Gump.«
    » Ja, das Leben ist wie eine Pralinenschachtel«, meinte Nightingale. » Im Fall meines Vaters steckte schwarze Magie drin.«
    » Das ist witzig«, sagte Jenny. » Gut zu sehen, dass du deinen Humor noch nicht verloren hast.«
    Die Kellnerin brachte Nightingales Bier. Jennys Weinglas war noch halb voll.
    » Manche Leute wollen sich umbringen und tun das allein«, erklärte Nightingale. » Einfach genug ist es ja– man schluckt ein Fläschchen Schlaftabletten, erhängt sich oder springt von einem sehr hohen Gebäude, wenn keiner hinschaut. Aber manche Selbstmörder wollen eine Reaktion, und so werfen sie sich vor einen Zug oder stellen sich auf einen Sims und warten darauf, dass sich eine Menge von Schaulustigen sammelt. Das sind die wirklich kranken Typen.«
    » Hast du viele Selbstmorde gesehen?«
    Nightingale verzog das Gesicht. » Nicht allzu viele, aber es reicht«, sagte er. » Das eine, was sie gemeinsam hatten, war der Blick in ihren Augen. Wenn man den einmal gesehen hat, vergisst man ihn nie. Und ich kann ihn in Goslings Augen erkennen, wenn ich diese DVD anschaue– dann sehe ich ihn, Jenny.«
    » Jack…«
    Nightingale stand auf. » Jack, alles in Ordnung mit dir?«
    » Ich brauche frische Luft.«
    » Du meinst, du brauchst eine

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