Hoellennacht
nach ihrer Einleitung gleich wieder abgeschlossen. Er war mit dem Blut meiner Tante bespritzt, und sie hatte ihn im Gesicht gekratzt. Es war sonst keiner an dem Mord beteiligt.«
» Aber warum denn? Warum hat er seine Frau getötet?«
» Ich habe keine Ahnung. Ich hatte den beiden gesagt, ich wollte mit ihnen über meine Eltern sprechen, darüber, ob ich adoptiert worden bin oder nicht.«
» Und am Telefon war alles in Ordnung?«
» Sie haben ein bisschen nervös geklungen, aber sie haben mich zum Essen eingeladen.«
» Ich kann das einfach nicht glauben«, sagte Jenny.
» Es fällt mir selber schwer, damit zu Rande zu kommen«, gab Nightingale zu.
» Hatten sie Probleme oder so?«
» Ich glaube nicht.«
» Jack, du glaubst doch nicht, dass es da eine Verbindung zu Gosling gibt, oder?«
» Der Gedanke ist mir gar nicht gekommen, Jenny.« Das war in Wirklichkeit eine Lüge, denn sobald Nightingale die blutigen Buchstaben auf Onkel Tommys Badezimmerspiegel gesehen hatte, hatte er gewusst, dass er auf irgendeine Weise mit dem Tod seiner Tante und seines Onkels in Beziehung stand. Aber er kam nicht dahinter, worin diese Beziehung bestand. Als er die mit Blut geschriebenen Worte erblickt hatte, hatte er zu träumen geglaubt. Er hatte die Botschaft entsetzt angestarrt und sich vorgestellt, dass er nun gleich wieder in Underwoods Büro stehen und dass der Mann durchs Fenster krachen und zu Tode stürzen würde. Aber es war kein Traum, er wachte nicht auf, die Worte waren real, und sein Onkel und seine Tante waren tot. Nightingale hatte keine Ahnung, warum es immer wieder Leute gab, die ihm sagten, der Teufel werde ihn holen, und er begriff noch weniger, warum sein Onkel das vor seinem Selbstmord auf den Badezimmerspiegel geschrieben hatte. Aber bis er herausgefunden hatte, was da los war, wollte er Jenny nicht beunruhigen.
» Hast du der Polizei von Gosling erzählt?«, fragte sie.
» Ich dachte, das würde eine ohnehin schon komplizierte Situation nur noch schwieriger machen.« Nightingale schwang seine Beine vom Schreibtisch herunter. » Das war ein schreckliches Wochenende«, sagte er. » Freitagnacht habe ich in einer Gefängniszelle verbracht.«
» Wie bitte?«
» Ich bin Freitagabend wegen Alkohol am Steuer einkassiert worden.«
» Ach, Jack… Du hattest doch gesagt, du würdest nicht fahren.«
» Und das hatte ich auch nicht vor. Ich schwöre bei Gott, als ich das Lokal verlassen habe, hatte ich überhaupt nicht vor, mich hinters Steuer zu setzen. Ich weiß nicht, was mich da überkommen hat.«
» Und wie läuft es jetzt weiter?«
Nightingale trank noch einen Schluck Kaffee. » Ich habe keinen Unfall gebaut, aber ich werde meinen Führerschein los, und das heißt, dass ich irgendwas finden muss, um den MGB unterzustellen.«
» Ich kümmere mich darum.«
» Hast du denn eine Garage?«
» Ich kann ihn bei meinen Eltern abstellen. Mein Vater kann jede Woche mal damit herumfahren, um die Batterie aufzuladen. Diese alten Autos machen Probleme, wenn man sie nicht regelmäßig fährt.«
Nightingale lächelte. » Wir nennen sie eher Oldtimer als alte Autos«, sagte er. » Kennt er sich denn mit so was aus?«
» Er hat zwei alte Jaguare und einen › Frogeye‹ Sprite. Sorry, Oldtimer-Jaguare. Und einen Jensen-Healey.«
» Das hast du mir nie erzählt.«
» Du hast mich nie danach gefragt, Jack. Mein Dad hat früher für Jaguar gearbeitet. Er war Bilanzbuchhalter, und bis zu seiner Pensionierung saß er dort im Aufsichtsrat.«
Nightingale stellte seinen Becher ab. » Du erstaunst mich immer wieder aufs Neue«, sagte er.
» Das beruht auf Gegenseitigkeit«, gab Jenny zurück.
» Wie läuft es mit der Übersetzung?«
Jenny erschauerte. » Da steht wirklich ein Haufen sehr merkwürdiges Zeug drin.«
» Wie merkwürdig?«
Jenny beugte sich vor. » Hast du eine Tätowierung?«
» Eine Tätowierung? Was denn… › Ich liebe Mum‹, so was in der Art?«
» Ein Pentagramm. Entweder eine Tätowierung oder ein Muttermal, das wie ein Pentagramm aussieht.« Sie lehnte sich zurück. » Ich weiß, das klingt lächerlich, aber Mitchells Tagebuch zufolge trägt jeder, dessen Seele dem Teufel gehört, ein Zeichen, ein Pentagramm irgendwo am Körper versteckt.«
» Du hast recht, das klingt lächerlich«, meinte Nightingale. » Ich bin zweiunddreißig, und wenn ich eine Tätowierung hätte, wüsste ich darüber Bescheid.«
» Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen«, sagte Jenny. Sie wollte
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