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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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    Entsetzt warf Nightingale sich vor und streckte die rechte Hand nach ihr aus, obwohl er wusste, dass es nichts gab, was er tun konnte. » Sophie!«, schrie er. Ihr goldenes Haar peitschte durch den Wind, als sie lotrecht nach unten stürzte, die Puppe noch immer im Arm. » Sophie!« Im letzten Moment schloss er die Augen, aber er konnte das Geräusch nicht ausblenden, das sie beim Aufprall auf dem Boden machte, ein dumpfer, feuchter Schlag, wie wenn man mit einer nassen Decke gegen eine Wand schlägt.
    Nightingale ließ sich von der Brüstung gleiten. Er steckte sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an und rauchte sie, während er mit an den Bauch gezogenen Beinen dahockte, den Rücken gegen den Beton gelehnt.
    Der uniformierte Beamte, der ihn die Treppe hinaufbegleitet hatte, tauchte in der Balkontür auf. » Alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?«
    Nightingale beachtete ihn nicht.
    » Sir, ist alles in Ordnung mit Ihnen?« Das Funkgerät des Polizisten knisterte, und eine weibliche Stimme bat ihn um einen Lagebericht.
    Nightingale stand auf und schob ihn aus dem Weg.
    » Sir, Ihr Mantel«, rief der uniformierte Kollege ihm nach.
    Das ältere Ehepaar stand mitten im Wohnzimmer und hielt sich aneinander fest. Die beiden blickten Nightingale erwartungsvoll an, aber er stürmte wortlos an ihnen vorbei. Rannte die Treppe runter, drei Stufen auf einmal. Seine Finger fegten über den Handlauf, seine Schritte hallten von den Betonwänden wider.
    In der Eingangshalle befanden sich zwei Sanitäter und ein halbes Dutzend uniformierte Beamte, die alle in ihre Funkgeräte sprachen. Duggan war auch dort und machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber Nightingale brachte ihn mit ausgestrecktem Finger zum Schweigen und hastete an ihm vorbei.
    Zwei Sanitäterinnen hockten bei der Leiche des kleinen Mädchens. Die jüngere weinte. Hinter den Sanitäterinnen standen vier Feuerwehrmänner in dicken, mit Reflexstreifen besetzten Jacken. Einer wischte sich mit dem Handschuhrücken Tränen aus den Augen. Nightingale wusste, dass hier nichts mehr zu tun war. Keiner überlebte einen Sturz aus dem dreizehnten Stock. Als er sich abwandte, sah er eine schimmernde Blutlache um die Leiche.
    Hoyle stand neben einem uniformierten Beamten und sprach mit finsterer Miene in sein Handy. Er legte es weg, als Nightingale auf ihn zukam. » Superintendent Chalmers möchte, dass du zu ihm ins Büro kommst, Jack«, sagte er. » Jetzt sofort.«
    Nightingale erwiderte nichts. Er fegte an Hoyle vorbei und eilte zu seinem MGB .
    » Jetzt sofort, Jack. Er möchte dich sofort sehen.«
    » Ich habe zu tun«, erklärte Nightingale.
    » Er wird auch wollen, dass du den Psychofritzen aufsuchst«, sagte Hoyle, der hinter ihm hereilte. Das war nach einem Todesfall Standard.
    » Ich brauche keinen Psychoheini«, knurrte Nightingale.
    Hoyle legte Nightingale die Hand auf die Schulter. » Es war nicht deine Schuld, Jack. Es ist normal, dass du dich jetzt schuldig fühlst, dass es dir so vorkommt, als hättest du versagt.«
    Nightingale starrte ihn wütend an. » Verschone mich mit deinem Mitgefühl und deinem Mitleid, Robbie. Ich brauche es nicht.«
    » Und was soll ich Chalmers sagen?«
    » Sag ihm, was du willst«, antwortete Nightingale und machte sich von Hoyle frei. Er stieg in seinen MGB und fuhr los.

2
    Was später an jenem kalten Novembermorgen geschah, hängt davon ab, mit wem man darüber redet. Jack Nightingale hat nie darüber gesprochen und sich geweigert, die Fragen zu beantworten, die die beiden mit dem Fall betrauten Ermittlungsbeamten ihm stellten. Sie kamen von der internen Kontrollabteilung der Metropolitan Police und befragten ihn im Verlauf von drei Tagen mehr als achtzehn Stunden lang. Während der ganzen Zeit sagte er kein Wort über das, was geschehen war. Hätte man die beiden Detectives direkt gefragt, hätten sie geantwortet, sie seien sich ziemlich sicher, dass Nightingale Simon Underwood aus dem Fenster geworfen habe. Hätte man unter vier Augen mit ihnen geredet, hätten sie wahrscheinlich gesagt, sie hätten volles Verständnis für Nightingale und hätten wahrscheinlich dasselbe getan, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte. Wie alle Polizisten in der ganzen Welt wussten sie, dass Pädophile immer Verbrecher blieben. Man konnte sie ins Gefängnis stecken, so dass sie nicht in die Nähe von Kindern kamen, oder man konnte sie töten, aber ihre Natur konnte man nicht verändern.
    Die Autopsie des kleinen Mädchens hatte

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