Hoellenpforte
war seine Arbeit und er machte sie gut. Er wollte sie einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Er bestrich ihre Haut mit einer Flüssigkeit, die nach Essig roch und ein bisschen brannte, und fügte dann mit einem feinen Pinsel ein paar Flecken hinzu. Dann waren ihre Augen an der Reihe. Als Scarlett schon dachte, dass er fertig war, murmelte er Lohan etwas zu. Es waren die ersten Worte, die er überhaupt gesprochen hatte. Seine Stimme war so ausdruckslos wie sein Blick.
»Er will, dass du Kontaktlinsen trägst«, erklärte Lohan. »Das wird allerdings ein bisschen unangenehm sein.«
Es war viel mehr als das. Der Mann musste Scarletts Kopf eisern festhalten, um die Linsen, die er auf einer Fingerkuppe balancierte, einzulegen. Als er fertig war, tränten Scarletts Augen so, dass sie nur noch verschwommen sehen konnte.
»Jetzt musst du dich umziehen«, sagte Lohan.
Sie gönnten ihr keine Privatsphäre. Die vier Männer sahen zu, wie sie sich bis auf die Unterwäsche auszog, dann holte der Mann mit der Strickjacke ein weißes, gepolstertes Ding aus seinem Koffer. Scarlett konnte sich denken, wofür es war. Der Junge, dessen Platz sie einnehmen sollte, war anscheinend ein gutes Stück dicker als sie. Sie streifte das Polster über die Schultern. Sofort hatte sie eine vollkommen neue Körperform. Auch die leichte Kurve ihrer Brüste war verschwunden. Der Mann reichte ihr ein Hemd, eine Leinenhose, einen Blazer und ein Paar schwarze Lederschuhe, in denen sie plötzlich drei Zentimeter größer war. Zum Schluss gab er ihr noch eine Brille und die Tarnung war perfekt.
»Sieh in den Spiegel«, sagte Lohan.
Sie hatten einen großen Spiegel aus der Küche geholt. Scarlett stellte sich davor. Sie musste zugeben, dass die Verwandlung wirklich unglaublich war. Sie erkannte sich selbst kaum wieder.
Ihr Haar war jetzt kurz und stachelig und stand durch das Gel senkrecht hoch. Ihre Augen, die normalerweise grün waren, hatten jetzt eine dunkelbraune Farbe, die durch die hässliche, altmodische Brille mit der Plastikfassung betont wurde. Rund um die Nase hatte sie einen Hauch von Akne. Jetzt war sie hundert Prozent chinesisch: ein etwas molliger Junge, der vermutlich auf eine teure Privatschule ging und sich kleidete wie sein Vater. Sie roch jetzt sogar wie ein Junge. Vielleicht hatte der Mann etwas in die Chemikalien getan, die er benutzt hatte.
»Jetzt musst du das Gehen üben«, sagte Lohan. »Geh wie ein Junge, nicht wie ein Mädchen.«
Die nächsten zwei Stunden ließ Lohan sie mit hängenden Schultern und den Händen in den Taschen auf und ab schlurfen. Scarlett war zwar nicht der Meinung, dass Jungen anders liefen als Mädchen, aber sie war klug genug, keine Diskussion anzufangen. Schließlich war Lohan zufrieden. »Es wird Zeit, dass du gehst«, sagte er. »Da ist nur noch eine Sache, die du wissen musst.«
»Was?«
Sie war sofort alarmiert, aber er hob beruhigend die Hand. »Ein Junge will dich treffen«, sagte er. »Er kommt aus England und ist schon unterwegs.«
Ihr erster Gedanke war, dass es Aidan war, aber das war natürlich Unsinn. Aidan hatte keine Ahnung, was hier vorging.
»Sein Name ist Matt.«
Der Junge aus ihrem Traum! Der Junge, dessen Trugbild sie in der Kirche St. Meredith durch die Tür geführt hatte. Plötzlich war Scarlett aufgeregt und voller Hoffnung. Sie wusste nicht, wieso, aber wenn Matt auf dem Weg zu ihr war, würde alles gut werden.
»Er kommt nicht nach Hongkong«, fuhr Lohan fort. »Hier ist es zu gefährlich. Aber er wird in Macau sein. Der Herr des Berges wird ihn beschützen. Er wird dort bleiben, bis er weiß, dass wir Erfolg hatten und deine Flucht geglückt ist. Dann wird er dir folgen und unsere Arbeit ist getan.«
»Wer ist denn der Herr des Berges?«, wollte Scarlett wissen.
»Ein sehr mächtiger Mann.« Das war alles, was Lohan antwortete. »Sag kein Wort, bis du auf dem Schiff bist. Wenn dich jemand anspricht, ignoriere ihn. Wenn du mit deinen neuen Eltern zusammen bist, halte die Hand deiner Mutter. Nur sie wird mit dir sprechen und du wirst sie anlächeln und so tun, als würdest du sie verstehen. Wenn du auf der Jade Emperor bist, bringt sie dich direkt in ihre Kabine. Dort bleibst du, bis das Schiff ablegt.«
»Vielen Dank«, sagte Scarlett. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Lohan warf ihr einen kurzen Blick zu und einen Moment lang sah sie die Härte in seinen Augen und erkannte, dass er niemals ihr Freund sein würde. »Du brauchst uns nicht zu
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