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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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danken«, sagte er. »Bilde dir nicht ein, dass wir dir helfen, weil wir es so wollen. Wir gehorchen den Befehlen, die der Herr des Berges uns gibt. Du bist ihm wichtig. Also enttäusche uns nicht.«
    Sie öffneten die Tür des Lagerhauses, und Scarlett, die auf ihre neue Art zu gehen achten musste, trat hinaus auf die betonierte Gasse. Es war schon nach fünf und es wurde allmählich dämmrig. Während sie dastand, fuhr ein Auto vorbei. Die Angst, entdeckt zu werden, ließ sie zusammenzucken. Aber sie war jetzt ein Junge, der Sohn chinesischer Eltern. Niemand würde sie erkennen. Jet und Sing hatten ebenfalls das Lagerhaus verlassen und gingen mit ihr auf die Hauptstraße zu.
    Die Gasse endete an der äußersten Spitze von Kaulun, wo die Salisbury Road zu den Fähranlegern führte. Der Hafen lag direkt vor ihnen und auf der anderen Seite konnte Scarlett Hongkong sehen und auch den Firmensitz der Nightrise Corporation , der aus dem Boden ragte wie ein schräg eingeschlagener Nagel.
    »Geh langsam«, flüsterte Jet ihr zu. »Wenn dich jemand ansieht, beachte ihn gar nicht. Geh einfach weiter.«
    Sie gingen die Salisbury Road hinunter, vorbei am HongkongKulturzentrum, einem riesigen, weiß gekachelten Gebäude, das ein wenig an eine Skischanze erinnerte. Das Wetter hatte sich noch weiter gebessert. Der Himmel war klar, die Abendsonne versank und das Wasser schimmerte silbern und blutrot. Auf der Promenade waren mehrere Touristengruppen unterwegs und genossen die Aussicht. Auf dem Heimweg von der Arbeit strömten die Menschen in Scharen von der Fähre. Junge Paare hielten Händchen. Zeitungs- und Snackverkäufer warteten auf Kunden. Unzählige Schiffe in allen Größen und Formen tuckerten durch den Hafen.
    Scarlett hatte die ganze Zeit nur einen Gedanken – was davon war echt und was nicht? Welche dieser Leute waren Gestaltwechsler? Wie viele von ihnen suchten nach ihr? Sie ging weiter, flankiert von Jet und Sing, und versuchte, sich ganz normal zu bewegen, obwohl sie wusste, dass Tausende Augen nach ihr Ausschau hielten. Unter den Polstern, die auf ihr lasteten, brach ihr der Schweiß aus. Das Atmen fiel ihr schwer.
    Sie kamen am Peninsula Hotel vorbei. Erst vor ein paar Tagen war Scarlett mit Audrey Cheng dort gewesen und hatte Tee getrunken und Sandwiches gegessen. Es kam ihr vor, als wäre das in einem anderen Leben gewesen. Sie bogen in eine breite Straße ein und mussten an einer Polizeiwache vorbeigehen. Zwei Polizisten in den dunkelblau-silbernen Uniformen kamen heraus. Sie waren bewaffnet. Scarlett musste wieder an das denken, was Lohan gesagt hatte. Die Alten kontrollierten die Polizei, die Regierung und alle Behörden. Diese beiden Polizisten hatten ganz sicher ihre Beschreibung. Wenn sie sie erkannten, wäre alles vorbei, bevor sie auch nur in die Nähe des Schiffes gekommen war.
    Aber sie erkannten sie nicht. Sie gingen vorbei, und erst als sie weg waren, merkte Scarlett, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie fühlte sich vollkommen wehrlos und wartete nur darauf, dass jemand ihren Namen schrie und sich die Menschenmenge auf sie stürzte. Nur ein paar Zentimeter Polsterung und etwas Schminke schützten sie vor der Gefangennahme. Sie hatte panische Angst, dass das nicht genügen würde.
    Die Hafencity lag vor ihnen. Sie war nichts anderes als ein weiteres Einkaufszentrum, allerdings viel größer als alle, die sie mit Mrs Cheng besucht hatte. Sie schlenderten hinein, als hätten sie nie etwas anderes vorgehabt, als wären sie nur drei Freunde auf einer abendlichen Shopping-Tour. Das Einkaufszentrum war ausnehmend hässlich und grell erleuchtet und in den endlosen Gängen reihte sich ein kastenförmiger Laden an den anderen. Zu kaufen gab es hier die üblichen Waren: Jeans und T-Shirts, Sonnenbrillen und andere Artikel weniger bekannter Hersteller und wahrscheinlich auch zu günstigeren Preisen als in den Läden in Zentral-Hongkong.
    Sie gingen an einem Taschengeschäft vorbei und dann entdeckte Scarlett eine Neonreklame mit der Aufschrift TSIM CHAIKEE KRÄUTERMEDIZIN und wusste, dass sie den Ort erreicht hatten, an dem der Austausch stattfinden sollte. Der Laden war direkt vor ihnen. Er war voller Kartons und Glasflaschen. Drei Leute standen mit dem Rücken zur Tür. Ein Mann, eine Frau und zwischen ihnen ein Junge.
    Die Frau war rundlich, hatte graue Haare und war ganz in Schwarz gekleidet. Der Mann war kleiner als sie, mit Einkaufstaschen beladen und einer Kamera um den Hals. Ihr Sohn war genauso

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