Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
Hongkong wegzuschleichen, ohne ihm Bescheid zu sagen, und wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, ihn vor dem zu warnen, was hier passierte, dann hätte sie sie genutzt. Dies war ihre Gelegenheit. Sie konnte ihn nicht einfach zurücklassen.
    Eine Sekunde später war er schon aufgesprungen und auf den Kai hinausgestürzt. Er war immer noch nicht sicher, ob sie es wirklich war. So gut war ihre Tarnung. Aber dann lächelte sie ihn an und er kam auf sie zu, auf dem Gesicht eine Mischung aus Verblüffung und Erleichterung.
    »Scarly… bist du das?«
    Scarlett spürte, wie Mrs Soong neben ihr erstarrte. Mr Soong blieb erschrocken stehen. Bis jetzt waren sie den Beamten an der Passkontrolle nicht aufgefallen. Touristen strömten an beiden Seiten an ihnen vorbei und zückten im Gehen ihre Papiere. Scarlett wusste, dass ihr nicht viel Zeit blieb. Sie riskierte alles, wenn sie nur mit ihm redete, aber das war ihr egal. Sie war unglaublich erleichtert. Ihr Vater lebte noch.
    »Scarly…?« Paul Adams sagte noch einmal ihren Namen und starrte sie an, als versuchte er, durch die Verkleidung hindurchzusehen.
    »Dad…«, flüsterte Scarlett. »Wir können jetzt nicht reden. Du musst Hongkong sofort verlassen. Wir sind hier in großer Gefahr – «
    Sie konnte den Satz nicht mehr beenden.
    Zu ihrem Entsetzen packte Paul Adams sie und zerrte ihre Hand nach oben, als wollte er alle auf sie aufmerksam machen. Sein Gesicht war ganz rot vor Aufregung – und noch etwas anderem. Er sah aus, als wäre er geistesgestört. In seinen Augen spiegelte sich eine Art Panik. Er sah aus wie ein Mann, der gerade einen Mord begangen hat.
    »Sie ist es!«, schrie er. »Ich habe sie! Sie ist hier!«
    »Nein, Dad…«
    Aber es war schon zu spät. Die uniformierten Polizisten hatten es gehört und kamen bereits auf sie zu. Die Touristen waren stehen geblieben und Scarlett erkannte sofort, dass die Hälfte von ihnen gar keine Touristen waren. Sie kamen immer näher, mit ausdruckslosen Gesichtern, aber einem triumphierenden Funkeln in den Augen. Noch mehr Leute strömten aus dem Einkaufszentrum herbei. Verfilztes Haar. Tote weiße Haut. Offene Münder. Dutzende von ihnen. Und die Fliegen. Sie schwärmten hoch wie ein schwarzer Geysir und breiteten sich in der Luft aus.
    »Dad – was hast du getan?«
    Er klammerte sich an sie, eine Hand hielt sie am Handgelenk fest, mit der anderen drückte er ihr die Luft ab. Mr und Mrs Soong standen erst wie gelähmt, dann versuchten sie zu fliehen. Die Frau war die Erste, die überwältigt wurde. Einer der Touristen stürzte sich auf sie. Noch vor ein paar Sekunden hatte er ausgesehen wie ein ganz normaler Großvater, ein englischer Rentner, der seinen Ruhestand genießt. Doch jetzt hatte er diese Maske abgestreift. Er grinste und seine Augen schienen zu glühen. Er hielt sie mit unglaublicher Kraft fest, seine Finger krallten sich in ihr Gesicht und zwangen sie auf die Knie. Sofort stürzten sich andere auf sie. Mrs Soong wurde von der Menschenmenge förmlich verschluckt, die sich jetzt bewegte wie ein einziges Lebewesen. Mr Soong hatte schnell eine Pistole gezogen, richtete sie auf einen der Polizisten und schoss. Die Kugel traf den Polizisten ins Gesicht und riss ein riesiges Loch in seine Wange, doch es schien ihm nichts auszumachen, er zuckte nicht einmal zusammen. Er ging einfach weiter. Mr Soong feuerte einen zweiten Schuss ab, diesmal in die Brust des Mannes. Blut sprudelte hervor, aber der Polizist kam immer noch auf ihn zu. Mr Soong saß in der Falle. Er konnte nirgendwohin. Scarlett sah, wie er sich den Lauf seiner eigenen Waffe in den Mund steckte. Einen Moment bevor er abdrückte, schloss sie die Augen.
    Jetzt war es eindeutig, wer die echten Touristen waren. Sie kreischten hysterisch, ließen ihre Einkäufe fallen und rannten über den Kai. Sie hatten keine Ahnung, was los war, aber sie wollten auf keinen Fall hineingezogen werden. Eine Frau im Pelzmantel rutschte aus und fiel hin. Die anderen Flüchtenden trampelten über sie hinweg. Zwei Männer wurden über die Kante gestoßen und fielen zwischen Kaimauer und Schiffswand ins Wasser. Scarlett hörte ihre Körper aufschlagen und bezweifelte, dass sie jemals wieder auftauchen würden.
    Ihr Vater hielt sie immer noch fest. Sie konnte nicht fassen, was er ihr antat. Er hatte ihnen mit voller Absicht gesagt, dass sie da war. Er hatte die ganze Zeit auf sie gewartet. Und sie hatte ihm geholfen. Sie hatten ihn als Köder benutzt und sie war darauf

Weitere Kostenlose Bücher