Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
Vom Netzwerk:
bald hinter ihnen. Auf den Vordersitzen starrten der Fahrer und sein Begleiter stur geradeaus und verbargen ihre Erleichterung unter der Maske der Ernsthaftigkeit, die ihr vorgetäuschter Beruf verlangte.
    Für Scarlett war es weniger einfach.
    Sie konnte nichts sehen. Sie konnte nichts tun. Sie konnte sich nicht einmal bewegen. Sie lag auf dem Rücken, eingesperrt in einen schwarzen stickigen Kasten mit einem fest verschlossenen Deckel nur Zentimeter oberhalb ihrer Nase. Sie war ihrer eigenen Fantasie hilflos ausgeliefert. Jedes Mal, wenn der Wagen langsamer wurde oder anhielt, fragte sie sich, ob sie entdeckt worden waren. Aber noch schlimmer war die albtraumhafte Vorstellung, dass etwas schrecklich schiefgegangen war und man sie wirklich zum Friedhof fuhr, um sie dort lebendig zu begraben. Jeder Nerv in ihrem Körper war zum Zerreißen gespannt. Sie konnte kaum atmen.
    Nach schätzungsweise einer Stunde stoppte der Wagen. Sie hörte, wie die Türen geöffnet und wieder zugeschlagen wurden. Danach herrschte eine Weile absolute Stille. Und plötzlich fiel Tageslicht durch einen Spalt, der schnell größer wurde, als die Männer den Sargdeckel abnahmen. Eine Hand tauchte auf, um ihr herauszuhelfen, und sie griff dankbar danach. Sanft zog ihr Retter sie heraus wie eine Leiche, die wieder zum Leben erweckt worden war. Scarlett stellte fest, dass sie zitterte. Aber nach allem, was sie durchgemacht hatte, erstaunte sie das nicht.
    Wo war sie gelandet? Der Leichenwagen parkte neben einem Gabelstapler in einem Lagerhaus voller Kisten und Paletten. Es waren Oberlichter in der Decke und Neonröhren spendeten zusätzliches Licht. Einer der Männer hatte den Schalter für das Tor betätigt, doch bevor es ganz heruntergerollt war, konnte Scarlett einen Blick aufs Wasser erhaschen und wusste, dass sie am Hafen waren. Der Geruch von Schießpulver hing in der Luft. Normalerweise hätte sie ihn nicht erkannt – aber in dem Gebäude, das sie gerade verlassen hatte, war der Geruch überall gewesen.
    Der Fahrer hatte bereits sein Jackett ausgezogen und die schwarze Krawatte abgenommen. Als Scarlett ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er auf dem Peak eine blutige Machete mit einem Lappen abgewischt. Er war derjenige, der den Rucksack getragen hatte, und er war jünger, als sie vermutet hatte – ungefähr Mitte zwanzig. Unter dem Jackett trug er ein kurzärmliges Hemd und auf seinem Oberarm bemerkte sie eine Tätowierung, ein rotes Dreieck mit einem chinesischen Schriftzeichen darin.
    »Mein Name ist Jet«, sagte er. Wie alle anderen erwähnte er keinen Nachnamen. Er sprach nur zögernd Englisch, aber dafür fast akzentfrei. »Ich bin jetzt für dich da. Das ist Sing.«
    Der andere Mann kam vom Tor zurück und nickte ihr zu.
    »Wo sind wir?«, fragte Scarlett.
    »Immer noch in Kaulun. Das ist unser Lagerhaus.« Jet ging zu einer der Kisten und zog die Plane herunter, die sie zur Hälfte bedeckte, sodass Scarlett den Schriftzug lesen konnte. Die Aufschrift war auf Chinesisch und Englisch.
     
    KUNG HING TAO FEUERWERKS-MANUFAKTUR
     
    »Feuerwerk?«
    »Das ist ein gutes Geschäft«, erklärte Jet. »In China gibt es ein Feuerwerk, wenn jemand heiratet, und noch eines, wenn er stirbt. Und dann gibt es noch das Bun-Fest, das DrachenbootFest, das Fest der Hungrigen Geister und das Neujahrsfest. Da kauft jeder Feuerwerk! In diesem Lagerhaus befindet sich Ware im Wert von hunderttausend Dollar. Ich würde also vorschlagen, dass du hier drin nicht rauchst.«
    »Willst du eine Cola?«, fragte der Mann namens Sing. Er hatte immer noch den Spazierstock mit dem verborgenen Degen bei sich. Der Stock hatte im Leichenwagen gelegen, aber der Mann hatte ihn sofort herausgenommen und trug ihn jetzt mit sich herum.
    »Wir haben eine kleine Küche und eine Toilette«, sagte Jet. »Wir müssen eine Weile hier bleiben.«
    »Wie lange?«
    »Vierundzwanzig Stunden. Aber hier wird dich niemand finden.«
    »Was ist mit Lohan?« Scarlett machte sich Sorgen um ihn. Schließlich war er nur durch sie in Gefahr geraten.
    »Er wird kommen. Mach dir keine Gedanken. Du wirst Hongkong schon bald verlassen.«
    Lohan hatte gesagt, dass es vier Wege aus der Stadt gab, und drei davon verworfen: den Flughafen, das Tragflügelboot nach Macau und die chinesische Grenze. Was blieb dann noch übrig? Scarlett hatte den Hafen gesehen. Vielleicht wollten sie sie auf einem Containerschiff hinausschmuggeln. Erst ein Kofferraum, dann ein Sarg. Diese Leute würden sich nicht das

Weitere Kostenlose Bücher