Hoellenpforte
trafen die Polizeiboote. Eine trudelte übers Wasser und ging nur Zentimeter vor seinem Kopf unter. Er sah einen brennenden Polizisten, der ins Wasser sprang, um sich zu retten. Ein anderer hatte weniger Glück. Er schien ein glühendes Feuerrad festzuhalten und nicht loslassen zu können, obwohl es sich in seine Brust brannte. Rund um ihn herum heulten, zischten und knallten Feuerwerkskörper jeder Art. Er schaffte es nicht mehr ins Meer. Er starb dort, wo er stand.
Matt trat Wasser und zwang sich zum Atmen. Ihm war so kalt, dass er kaum Luft bekam. Lange würde er das nicht aushalten, so viel war sicher. Zwei der Polizeiboote waren noch unbeschädigt. Sie würden schon bald anfangen, nach ihm zu suchen. Aber wo war Richard? Wo war Jamie? Die Wasseroberfläche war wie ein schwarzer Spiegel und reflektierte das Licht, aber er konnte sie nirgendwo sehen. Er wollte nach ihnen rufen, wagte es aber nicht. Die Polizisten hätten ihn hören können.
Ihm blieb nur eine Möglichkeit. Das Ufer war ungefähr hundert Meter weit weg. Er musste das trockene Land erreichen und konnte nur hoffen, sie dort zu finden. Nach einem letzten Blick auf die Boote wendete er und begann zu schwimmen. Da ihn seine Kleider behinderten, kam er nur langsam voran. Der Feuerschein half ihm bei der Orientierung. Hinter ihm knallte und zischte es immer noch. Er hörte, wie jemand auf Chinesisch einen Befehl brüllte, bezweifelte aber, dass er entdeckt worden war. Er trug dunkle Sachen und auch seine Haare waren dunkel. Und die Strömung trieb ihn davon.
Er erreichte das Land, ohne es zu merken. Plötzlich war unter seinen Knien eine schleimige Schräge aus Beton. Er kroch aus dem Wasser. Dann hockte er zitternd in der Dunkelheit und Schmutzwasser triefte aus seinen Haaren.
»Richard? Jamie?«
Er wagte nicht, laut zu rufen. Die ganze Stadt – jedenfalls alle Leute, die wach waren – musste das Feuerwerk gesehen haben. Die Alten wussten, dass er hier war. Sie würden schon nach ihm suchen.
»Richard? Jamie?«
Es kam keine Antwort.
Er wartete zehn Minuten, bevor er es aufgab und sich in Bewegung setzte, solange er noch konnte. Wenn er noch länger wartete, würde er erfrieren.
Es war drei Uhr nachts. Er war in der Stadt des Feindes. Er hatte keine Ahnung, wohin er gehen sollte. Er war triefend nass. Er war unbewaffnet.
Und er war allein.
DIE STADT DER TOTEN
Matt ließ das Wasser hinter sich zurück und steuerte die Lichter an, die den Stadtrand von Hongkong markierten. Er erreichte eine Hauptstraße, an der sich Luxushotels und Einkaufszentren aneinanderreihten. Zu dieser nächtlichen Stunde war sie menschenleer. Der Smog war schlimmer als je zuvor. Die ganze Stadt stank wie ein Sumpf voller Chemikalien. Obwohl er erst vor wenigen Minuten angekommen war, hatte er schon jetzt bohrende Kopfschmerzen und seine Augen hörten auch nicht mehr auf, zu tränen.
Wo waren Richard und Jamie? Er musste sie finden. Ohne sie war er verloren. Bestimmt waren die beiden an Land geschwommen, genau wie er – es sei denn, die Polizei hatte sie erwischt. Der Gedanke, dass seine Freunde vielleicht Gefangene waren, verursachte ihm Übelkeit.
Er versuchte, dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit abzuschütteln. Er musste sich überlegen, was zu tun war. Kontakt zu den Triaden aufnehmen. Angeblich warteten tausend Männer darauf, ihm zu helfen, aber sie zu finden, würde nicht einfach sein. Han Shan-tung hatte ihnen ein Handy mit einer Kurzwahlnummer gegeben, aber das hatte Richard bei sich gehabt. Was aber jetzt auch keine Rolle mehr spielte, weil es in dem Moment unbrauchbar geworden war, als er damit ins Wasser sprang. Dann war da noch Shan-tungs Sohn Lohan. Er würde bereits wissen, dass etwas schiefgegangen war. Vermutlich suchten seine Männer schon die ganze Stadt nach ihnen ab.
Aber Matt hatte keine Möglichkeit, ihn zu kontaktieren. Er erinnerte sich an die Adresse des Lagerhauses in der Salisbury Road, wo sie sich treffen wollten. Aber das war auf der anderen Seite des Hafens, in Kaulun. Matt hatte keinen Stadtplan und kein Geld. Es war mitten in der Nacht. Wie sollte er dort hinkommen?
Schon jetzt fiel ihm das Gehen schwer. Jedes Mal, wenn er einen Fuß aufsetzte, quoll Wasser aus seinem Schuh. Hemd und Hose klebten an ihm und kniffen unter den Armen und zwischen den Beinen. Als er die Straße überquerte und die ersten Gebäude erreichte, hatte er das Gefühl, dass es hier etwas wärmer war als am Hafen. Aber es waren höchstens ein paar Grad. Er
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