Hoellenpforte
Straße.
Er drückte auf die Klingeln, mit 1200 anfangend, und dann eine nach der anderen. Jedes Mal wartete er kurz auf eine Reaktion, doch es kam erst eine, als er bei 1213 angekommen war. Da meldete sich knisternd eine Stimme über die Sprechanlage.
»Ja?«
»Mr Adams?«
»Wer ist da?«
»Ich weiß, dass es schon spät ist, aber ich bin ein Freund von Scarlett. Kann ich bitte mit Ihnen reden?«
»Jetzt?«
»Ja. Würden Sie mich bitte reinlassen?«
Schweigen. Dann ein Summen und die Tür klickte auf. Als Matt den Empfangsbereich betrat, fiel ihm sofort der Gestank auf. Irgendwo war ein Abwasserrohr gebrochen. Er konnte es tropfen hören und der Fußboden war nass. Es war gerade hell genug, um die Treppe nach oben zu erkennen, aber als er anfing, sie hochzusteigen, musste er sich in völliger Dunkelheit vorantasten. Mit der Hand am Geländer zählte er zwölf Stockwerke ab und umrundete jede Ecke mit der Schulter an der Wand. Es war, als wäre er blind, und er hatte panische Angst, dass sich etwas auf ihn stürzen und ihn packen würde.
Endlich erreichte er eine Schwingtür, stieß sie auf und landete auf einem langen Flur, auf den ungefähr in der Mitte etwas Licht aus einer geöffneten Wohnungstür fiel. Scarletts Vater wartete auf ihn, doch weil er das Licht im Rücken hatte, konnte Matt nur seinen Umriss erkennen.
»Wer bist du?«, rief ihm Paul Adams entgegen.
»Mein Name ist Matt.«
»Du bist ein Freund von Scarly?«
»Ich will ihr helfen.«
»Du kannst ihr nicht helfen. Du kommst zu spät.«
Matt ging den Korridor hinunter. Er fürchtete, dass Paul Adams wieder hineingehen und die Tür schließen würde, bevor er bei ihm ankam. Aber Adams wartete auf ihn. Matt erreichte die Tür und sah sich einem kleinen unglücklichen Mann mit grauen Haaren und einer Brille gegenüber. Scarletts Vater hatte sich die letzten Tage nicht rasiert – und offenbar auch nicht gewaschen. Er trug ein blaues Polohemd, das vermutlich einmal sehr teuer gewesen war, jetzt jedoch an ihm herunterhing, als hätte er darin geschlafen. Und er hatte getrunken. Max konnte den Alkohol in seinem Atem riechen und sah es auch an seinen Augen. Sie waren von Erschöpfung und Selbstmitleid gezeichnet.
»Mr Adams…«, begann Matt.
»Ich kenne dich nicht.« Mr Adams sah ihn verständnislos an. »Ich sagte doch, mein Name ist Matt.«
»Du bist ganz nass.«
»Kann ich reinkommen?«
Matt wartete nicht auf eine Antwort. Er drängte sich an Scarletts Vater vorbei und betrat die Wohnung. Sie sah furchtbar aus. In der Spüle und auf den Arbeitsplatten stapelte sich schmutziges Geschirr. Alles roch abgestanden und muffig und von unten kroch der Abwassergestank hoch. Es war fast, als wäre hier jemand gestorben – aber vielleicht war es auch das Haus selbst, das tot war. Es war bestimmt einmal sehr luxuriös gewesen, doch jetzt war es nur noch hässlich und deprimierend.
Paul Adams schloss die Tür. »Willst du etwas essen?«, fragte er.
»Ich hätte gern Tee«, sagte Matt. Da der Mann sich nicht rührte, ging er in die Küche, um sich selbst welchen zu machen. Er suchte im Kühlschrank nach etwas Essbarem. Dort waren nur Reste von irgendwelchen Mahlzeiten, aber er bediente sich trotzdem. Er merkte erst jetzt, wie hungrig er war. Die Uhr am Herd stand auf zwanzig nach vier. Sechs Stunden waren vergangen, seit er Macau verlassen hatte.
Paul Adams setzte sich an den Esstisch. Er griff nach seinem Whiskyglas, leerte es mit einem Schluck und füllte es sofort nach. »Du bist Engländer…«, sagte er.
»Ich war bei Ihrem Haus in Dulwich«, sagte Matt, der im Küchenschrank nach einem Teebeutel suchte. »Ich hatte gehofft, Scarlett dort zu finden. Aber sie war schon weg.«
»Die haben sie.«
»Wissen Sie, wo sie ist?«
»Nein.« Wieder leerte er sein Glas. »Ich weiß, wer du bist!«, rief er plötzlich. Anscheinend war er gerade erst darauf gekommen. »Du bist der Junge, nach dem sie alle suchen. Nur wegen dir wollten die Scarlett haben.«
Matt sagte nichts. Das Wasser kochte. Er goss seinen Tee auf und fügte zwei Löffel Zucker hinzu.
»Matt Freeman. Das ist dein Name. Matt Freeman!« Er stand auf und wankte zu ihm herüber. Matt konnte nicht entscheiden, ob er ihn anwiderte oder einfach nur traurig machte. Er hatte noch nie jemanden gesehen, der so verloren wirkte. Paul Adams lehnte schwer an einem der Küchenschränke und plötzlich hatte er Tränen in den Augen. »Die haben mich angelogen«, sagte er. »Sie haben mir gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher