Hoellenpforte
war klatschnass und zitterte, und wenn er keine Lungenentzündung bekommen wollte, brauchte er dringend trockene Sachen.
Er blieb stehen. Ein Mann war um die Ecke gebogen und kam auf ihn zu. Im ersten Moment dachte Matt, dass er betrunken war, vielleicht auf dem Heimweg von einer Party. Der Mann trug einen verknitterten Anzug und seine gelockerte Krawatte hing ihm schief um den Hals. Er torkelte. Matt wollte bereits in Deckung gehen, aber der Mann hatte offenbar kein Interesse an ihm. Und er war nicht betrunken. Er war krank. Als er näher kam, sah Matt die großen Schweißflecken auf seinem Anzug und sein leichenblasses Gesicht. Er fiel beinahe hin, bekam gerade noch rechtzeitig einen Laternenpfahl zu fassen und übergab sich. Matt wendete sich ab, aber erst, nachdem er gesehen hatte, dass das, was aus dem Mund des Mannes kam, mit Blut vermischt war. Der Mann starb. Er würde die Nacht sicher nicht überleben.
Allmählich zeigte die Stadt ihr Gesicht. Matt war doch nicht ganz allein. Straßenfeger waren unterwegs, mit weißen Tuchmasken vor den Gesichtern. Er sah Wachmänner, die allein im Neonlicht hinter Fensterscheiben saßen, nur halb wach, während sie die langen Minuten bis zum Morgengrauen zählten. Er kam an einer über Nacht geschlossenen U-Bahn-Station vorbei, auf deren Stufen eine obdachlose Frau saß, die vollständig in alte Plastiktüten gehüllt war. Sie sah ihn, fing an zu lachen und starrte ihn an, als wüsste sie etwas, was er nicht wusste. Dann begann sie zu husten, was sich grauenvoll anhörte. Matt hastete weiter.
Ein Krankenwagen raste vorbei, ohne Sirene, aber mit Blaulicht, das sich in den Schaufenstern der Läden spiegelte. Er hielt ein Stück vor ihm und Matt sah, dass sich eine kleine Menschenmenge um einen bewusstlos am Boden liegenden Mann geschart hatte. Die Türen des Krankenwagens wurden aufgestoßen. Zwei Männer stiegen aus, die ebenfalls weiße Masken trugen. Niemand sagte ein Wort. Der Mann auf dem Boden bewegte sich nicht. Die Sanitäter hoben ihn hoch wie einen Sack Kartoffeln und warfen ihn in den Wagen. Er war entweder tot oder starb, das war ihnen egal. Es lagen noch weitere Tote im Wagen, sehr viele, übereinandergestapelt wie Brennholz. Die Sanitäter stiegen wieder ein und knallten die Türen zu. Einen Moment später waren sie weg.
Die Stadt war riesig, still, bedrohlich. Sie schien sich vollkommen in den Klauen der Nacht zu befinden, als würde der Morgen niemals kommen. Kahlköpfige Schaufensterpuppen in Pelzen und mit Diamanten behängt starrten aus den Fenstern auf den vorbeihastenden Matt. Hunderte von goldenen und silbernen Armbanduhren tickten hinter Panzerglas. Am Tag und bei Sonnenschein war Hongkong sicher ein Einkaufsparadies. Aber um drei Uhr morgens, wenn sich der Smog ausbreitete und die Einwohner krank und sterbend auf der Straße lagen, war es eher die Hölle.
Sie suchten nach ihm.
Er hörte das Geräusch eines herannahenden Autos. Die Geschwindigkeit und das wütende Brüllen des Motors zu dieser Nachtstunde verrieten Matt, dass es in dringlicher Mission unterwegs sein musste und dass er wohl besser in Deckung ginge. Und tatsächlich hatte er sich kaum in eine Toreinfahrt geworfen, als auch schon ein Polizeiwagen vorbeischoss, dem sofort ein zweiter folgte. Beide rasten in die Richtung, aus der er gekommen war. Er musste verschwinden, bevor noch mehr kamen. Er überquerte eine weitere breite Straße und begann, bergauf zu gehen.
Und dann hörte er etwas durch die Dunkelheit kommen. Es war das Letzte, was er in einer modernen Großstadt erwartet hätte, und im ersten Moment glaubte er, sich verhört zu haben. Das Klappern von Metall auf Beton. Eindeutig Pferdehufe.
Ein Mann tauchte auf und ritt mit einem Pferd bei Rot über die Straße. Die Hufe klapperten in diesem merkwürdigen, unverkennbaren Rhythmus und das zwischen den Hochhäusern gefangene Echo wurde von den Schaufenstern hin und her geworfen. Unter einer Straßenlaterne blieb das Pferd stehen und in ihrem gelben Schein konnte Matt erkennen, dass es noch grausiger aussah, als er es sich vorgestellt hatte. Es war dürr wie ein Skelett, aber das Schlimmste war, dass ihm jemand ein Messer so in den Kopf gestoßen hatte, dass die Klinge aus seiner Stirn ragte. Es sah aus wie die groteske Karikatur eines Einhorns.
Matt musste daran denken, was Jamie ihm über die Feuerreiter erzählt hatte, gegen die er vor zehntausend Jahren gekämpft hatte. Ob dies einer davon war? Als der Mann an ihm
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