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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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der Zelle schlief, war der andere Teil hier gestrandet, allein am Strand eines grauen und leblosen Meeres.
    In ihrer Traumwelt hatte sich etwas verändert. Scarlett nahm es nur ganz allmählich wahr. Es war nicht zu sehen, aber sie spürte es. Eine Art Pochen in der Luft, das von weit her kam, von jenseits des Horizonts. Sie hörte ein leises Donnergrollen und sah einen weit entfernten dünnen Blitz, ähnlich einem Haarriss im Weltgefüge. In ihrem Kopf pochte es. Sie bemerkte, dass die Oberfläche des Meeres zu beben begann. Ein Windstoß fuhr ihr durchs Haar. Der Sand oder der graue Staub oder was immer es war, wirbelte um ihre Füße und stob dann plötzlich hoch, geriet ihr in die Augen und stach ihr in die Wangen. Sie wich zurück, denn ihr war klar, dass sie sich verstecken musste. Allerdings wusste sie noch nicht, wovor.
    Plötzlich und ohne Vorwarnung platzte der Ozean auf. Es war, als wäre er mit einem riesigen unsichtbaren Messer in zwei Teile geschnitten worden. Das schwarze Wasser, Millionen Tonnen davon, stürzte von links und rechts in die kilometerlange Spalte, die dort entstanden war. Gleichzeitig stieg etwas auf und wand sich an die Oberfläche. Im ersten Moment hielt sie es für eine Schlange, eine monströse Seeschlange, die jahrhundertelang auf dem Meeresboden gelegen hatte und jetzt aufgewacht war. Scarlett konnte den Atem des Wesens riechen – wie war das möglich, wie konnte man in einem Traum etwas riechen? – und schrie auf, als es auf sie zustürzte, feuerspuckend und mit glühenden Augen. Es war ein Drache! Genau wie in den alten Sagen. Aber er war schrecklich echt und heulte so laut, dass Scarlett glaubte, ihr Kopf würde platzen.
     
    SIGNAL EINS
     
    Die beiden Worte tauchten vor ihr auf. Daneben ein Symbol, das wie der Buchstabe T aussah. Es war eine Neonschrift: riesige rote Buchstaben, die an einer Art Rahmen hingen. Das Licht war so grell, dass es sich in ihre Netzhäute brannte. Woher war das gekommen? Es musste aus dem Boden aufgestiegen sein, denn nur einen Augenblick vorher war die Landschaft noch vollkommen leer gewesen. Die Neonschrift summte und flackerte, als würde irgendeine Form von Elektrizität durch sie fließen. Scarlett sah auf ihre Hände, die das Licht der Neonschrift blutrot gefärbt hatte. Es sah aus, als würden sie brennen.
     
    SIGNAL EINS… SIGNAL EINS…
     
    Es blinkte an und aus. Einen Moment war der Drache da, dann verschwand er in der Dunkelheit und tauchte mit dem Licht wieder auf. Aber jedes Mal, wenn sie ihn sah, war er ein bisschen dichter herangekommen. Der Wind peitschte gegen sie. Wenn er noch stärker wurde, würde er sie von den Füßen reißen. Sie versuchte zu rennen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Der Drache riss das Maul auf. Er hatte Zähne wie Küchenmesser.
    Das war der Moment, in dem sie aufwachte. Sie lag immer noch mit den zwei Decken auf dem Feldbett, nur dass jetzt das erste schwache Morgenlicht durchs Fenster kroch. Es war eisig kalt.
    Scarlett setzte sich auf. Sie begann sofort zu zittern. Was hatte das alles zu bedeuten? Signal eins? Diese beiden Wörter hatte sie noch nie zusammen aufgeschrieben gesehen. Sie hatte keine Ahnung, was sie bedeuteten, allerdings war sie sicher, dass es etwas Wichtiges war. Die Neonschrift war bestimmt nicht ohne Grund aufgetaucht.
    Sie schaute hoch zum Fenster und vermutete, dass es ungefähr fünf oder sechs Uhr morgens sein musste. Vermutlich würden die Mönche ihr etwas zum Frühstück bringen. Schließlich hatten sie durchblicken lassen, dass sie sie am Leben lassen würden. Ob sie sie irgendwie überwältigen konnte, wenn sie hereinkamen? Wenn ihr das gelang, konnte sie zur Tür zurückrennen und verschwinden. Aber sie zweifelte daran. Die Mönche waren zwar dünn und unterernährt, aber trotzdem viel stärker als sie. Wenn sie doch nur eine Waffe hätte! Das würde ihre Chancen deutlich verbessern.
    Auf dem Bettrand sitzend, durchsuchte sie ihre Taschen. Aber alles, was sie zutage förderte, waren ein stumpfer Bleistift, ein Kamm und ihre Monatskarte. Ihr Anblick machte sie traurig. Sie war etwas so Normales und erinnerte sie an alles, was sie zurückgelassen hatte. Wie viele Tausend Kilometer lagen jetzt zwischen ihr und den Londoner Bussen und U-Bahnen?
    Sie hatte nichts, was ihr nützen würde. Sie dachte daran, den Mantel auszuziehen und ihn demjenigen ins Gesicht zu werfen, der ihr das Essen brachte. Aber das war ein idiotischer Plan. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie ihr Essen

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