Hoellenpforte
bringen würden. Außerdem würde es wahrscheinlich nicht funktionieren. Diese verrückten Mönche würden sie nur auslachen, bevor sie sie wegschleiften und auspeitschten oder was immer sie sonst geplant hatten.
Es musste doch einen Weg aus der Zelle geben! Scarlett stand auf und untersuchte die Tür ein zweites Mal. Sie fuhr mit den Händen über die Scharniere und drückte mit aller Kraft dagegen. Es war hoffnungslos. Damit blieb nur das Fenster. Es hatte drei Gitterstäbe und keine Scheibe. Die Zelle war für einen Mann gebaut worden und nicht für ein Kind – und schon gar nicht für ein Mädchen. Konnte sie sich vielleicht doch hindurchquetschen?
Bisher hatte sie keine Möglichkeit gehabt, das Fenster zu erreichen, aber die Mönche hatten einen Fehler gemacht. Sie hatten ihr einen Tisch und einen Stuhl gegeben. Hastig zerrte sie den Tisch ans Fenster, stellte den Stuhl darauf und kletterte hoch.
Endlich konnte sie nach draußen sehen. Sie schaute auf einen zerklüfteten Hügel hinab, aus dem schwarze Felsbrocken ragten, an denen sich der Schnee aufgetürmt hatte. Ein Stück weit entfernt standen ein paar vereinzelte Gebäude. Sie sahen aus wie Scheunen oder verlassene Bauernhäuser, die vielleicht zum Kloster gehörten, vermutlich aber Teil eines Dorfes waren. Über Scarlett hingen Eiszapfen von der Dachrinne, die am ganzen Gebäude entlangführte. Sie hatte vergessen, wie kalt es war, bis eine Ladung Schnee vom Dach rutschte und ihr ins Gesicht wehte. Ihre Lippen und Wangen waren schon ganz taub. Draußen herrschten Temperaturen unter null.
Es gab keinen Weg nach draußen. Die Gitterstäbe standen zu dicht zusammen, und selbst wenn sie es geschafft hätte, sich durchzuzwängen, hätte sie sich mindestens zwanzig Meter über dem Boden befunden. Bei einem Sprung aus dieser Höhe würde sie sich beide Beine brechen.
Als zwei Stunden später die Tür aufging und die Mönche ihr endlich etwas zu essen brachten, saß sie immer noch in ihrer Zelle fest.
Das Frühstück bestand aus einem Napf mit kaltem Haferbrei und einer Blechtasse Wasser. Den Mönch, der es brachte, hatte sie bisher noch nicht gesehen – sein Gesicht hätte sie sicher nicht vergessen. Es war von Brandwunden entstellt. Die eine Hälfte war wie tot und so verstümmelt, als wäre er mit dem Kopf auf dem Ofen eingeschlafen. Ihn begleitete ein zweiter Mönch, der die Tür bewachte. Scarlett wendete den Blick ab.
»Du… essen… kleines…Mädchen.« Der Mönch mit den Narben war offensichtlich stolz auf seine Englischkenntnisse, aber er hatte einen so starken Akzent, dass sie ihn kaum verstehen konnte.
Er stellte das Tablett ab und Scarlett ging auf ihn zu. Sie hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und war den Tränen nahe. »Bitte«, flehte sie. »Bitte lassen Sie mich raus.« Ihre Stimme bebte.
Der Anblick des blassen und übernächtigten Mädchens schien ihn zu amüsieren. »Raus?« Er lachte abschätzig. »Kein Raus…«
»Aber Sie verstehen nicht…« Scarlett war jetzt dicht bei ihm, und als er sich aufrichtete, schossen ihre Hände nach vorn und stachen zu.
Sie hielt einen Eiszapfen umklammert.
Sie hatte ihn von der Dachrinne abgebrochen und hielt ihn wie ein Messer. Er war nadelspitz. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und stieß ihn in das Fleisch zwischen Schulter und Hals. Der Mönch kreischte. Blut sprudelte hervor. Er fiel auf die Knie, als wollte er beten.
Einen Moment lang war Scarlett gelähmt vor Entsetzen. Fassungslos starrte sie auf das Blut und fragte sich schockiert, wie schwer sie den Mann verletzt hatte. Doch in der nächsten Sekunde war sie auch schon wieder in Bewegung. Ihr war klar, dass sie das Überraschungsmoment ausnutzen musste, weil Schnelligkeit das Einzige war, was sie retten konnte. Der zweite Mönch war wie erstarrt. Bevor er etwas tun konnte, warf sie sich gegen ihn, Kopf und Schultern tief gesenkt wie ein Kampfstier. Sie rammte ihn hart in den Magen und hörte, wie der Atem aus seiner Lunge gepresst wurde. Seine Hände streckten sich ihr entgegen, aber dann brach er zusammen und krümmte sich auf dem Boden. Scarlett sprang über ihn hinweg und rannte los.
Laut Pater Gregory gab es im Kloster Ruf nach Gnade nur sieben Mönche und sie hatte gerade zwei von ihnen außer Gefecht gesetzt. Wie lange würde es wohl dauern, bis die übrigen hinter ihr her waren? Scarlett musste die geheimnisvolle Tür finden, durch die sie hereingekommen war. Sie wusste, wo sie war – ein Stück den Gang
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