Hoellenpforte
und Jerusalem. Aber das hier war Soho, die Innenstadt von London. Und beinahe hätte es auch sie erwischt. Es hätten auch Aidan und sie sein können, die dort in den Trümmern lagen.
Aidan hatte sie eingeholt. »Wir sollten gehen«, sagte er. »Aber das Restaurant…«
»Das war das Restaurant.«
Scarlett erstarrte. Sie betrachtete stumm das klaffende Loch, den herausquellenden Rauch, die zertrümmerten Möbel und die Leichen. Es war ein Restaurant. Er hatte recht.
»Komm jetzt…!«, flehte Aidan.
Scarlett hörte bereits die Sirenen der Polizei- und Rettungswagen, die aus anderen Stadtteilen herbeirasten. Es war erstaunlich, wie schnell sie alarmiert worden waren. Widerstandslos ließ sie sich von Aidan wegführen. Sie wollte hier nicht angetroffen werden. Ein Teil von ihr fragte sich sogar, ob sie an dieser Katastrophe vielleicht mitschuldig war.
In den Abendnachrichten war der Bombenanschlag auf das Restaurant Der Garten des Glücks das wichtigste Thema. Drei Menschen waren getötet und ein weiteres Dutzend verletzt worden, als eine Bombe explodierte, die unter einem der Tische versteckt gewesen war. Der Polizei zufolge handelte es sich nicht um einen terroristischen Anschlag. Man vermutete, dass es eine der chinesischen Gangs gewesen war, die im Londoner Westend operierten.
»Die Polizei geht davon aus, dass der Anschlag den wachsenden Spannungen innerhalb der chinesischen Gemeinde zuzuschreiben ist«, berichtete der Nachrichtensprecher.
Scarlett sah sich die Nachrichten zusammen mit Mrs Murdoch an. Die Haushälterin strickte. »Warst du nicht heute in Soho, Scarlett?«, fragte sie.
»Nein«, log Scarlett. »Ich war am entgegengesetzten Ende der Stadt. Ich war nicht einmal in der Nähe.«
»Dies ist der bisher schlimmste Anschlag dieser Art«, fuhr der Sprecher fort. »Er gleicht anderen Taten, in die Gangs aus Peckham und Mile End verwickelt waren. Mögliche Zeugen werden dringend gebeten, sich zu melden. Scotland Yard hat eine Hotline eingerichtet, die sachdienliche Informationen entgegennimmt.«
An diesem Abend schickte Scarlett Aidan vor dem Schlafengehen eine SMS, auf die er sofort antwortete. Sie kamen überein, dass es Zufall gewesen sein musste. Obwohl sie es anfangs vermutet hatten, war es doch vollkommen undenkbar, dass ein Restaurant mitten in London in die Luft gesprengt worden war, nur um sie daran zu hindern, dort jemanden zu treffen.
Aber als Scarlett das Licht ausmachte und zu schlafen versuchte, wusste sie, dass es doch so war. Der Nachrichtensprecher hatte gelogen. Ebenso die Polizei. Das waren keine Gangs gewesen, sondern ein Feind, der immer noch mit ihr spielte und nicht damit aufhören würde, bevor er sie vollkommen unter Kontrolle hatte.
MATTS TAGEBUCH (2)
Sonntag.
In London ist eine Bombe explodiert. Ich habe es gerade in den Nachrichten gesehen und frage mich, ob es etwas mit Scarlett zu tun hat. Richard hält das für unwahrscheinlich. Dem Bericht zufolge war die Bombe in einem Restaurant im Chinesenviertel versteckt. Anscheinend stecken Revierstreitigkeiten chinesischer Gangs dahinter. Drei Leute sind dabei ums Leben gekommen.
Ich habe die Bilder auf dem großen Plasmafernseher in meinem Hotelzimmer gesehen. Leichen, Rettungswagen, schreiende Angehörige, Rauch und zersplittertes Glas - nicht zu fassen, dass das alles mitten in Soho passiert ist. Dort erwartet man so etwas einfach nicht. Jetzt habe ich das Gefühl, noch weiter weg zu sein, als ich tatsächlich bin.
Miami. Ich war vorher noch nie hier und hätte mir ganz sicher nicht träumen lassen, dass ich einmal in einem Fünfsternehotel mit Meerblick sitzen würde, umgeben von Cadillacs, kubanischer Musik und Palmen. Der Nexus hat uns wirklich luxuriös untergebracht, während wir auf meinen neuen Pass warten. Das Problem ist nur, dass es länger dauert, als wir erwartet hatten. Wir haben jetzt Tickets für einen Flug am Montagabend und können bis dahin nur Däumchen drehen. Scarlett wird noch ein paar Tage ohne uns auskommen müssen. Aber wir werden schon noch früh genug bei ihr ankommen.
Es ist ein komisches Gefühl, nach dieser langen Zeit in einem Kaff wie Nazca wieder in einer Großstadt zu sein. Miami ist voller reicher Leute und teurer Häuser. In dieser Jahreszeit ist es zu kalt zum Schwimmen, aber trotzdem spielt sich ein großer Teil des öffentlichen Lebens auf der Straße ab. Heute haben wir nicht viel gemacht. Ich habe mir ein paar neue Sachen gekauft, um die zu ersetzen, die ich durch das Feuer
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