Hoellenpforte
nach einer Weile reichte selbst das Flattern eines Vorhangs, um sie nervös zu machen. Wenn sie telefonierte, egal, ob im Festnetz oder mit dem Handy, glaubte sie jemanden im Hintergrund zu hören. Atmen. Ein leichtes Echo. Jemanden, der lauschte.
Scarlett versuchte, sich einzureden, dass das Unsinn war. Sie wusste, dass es ein Wort für das gab, was sie fühlte: Verfolgungswahn. Warum sollte jemand sie beobachten? Niemand beobachtete sie. Sie war einfach nur panisch wegen dem, was sie erlebt hatte.
» Da waren fünf Kinder.
Sie wurden als die Torhüter bekannt.
Vier Jungen und ein Mädchen.
Du bist das Mädchen. «
Als Scarlett den Mercedes bemerkte, wurde ihr klar, dass das, was in St. Meredith begonnen hatte, nicht vorbei war. In Wirklichkeit hatte es erst begonnen.
Der nächste Tag, ein Freitag, war einfach nur schrecklich. Scarlett hatte schlecht geschlafen. Sie war zickig mit Mrs Murdoch und bei der Mathearbeit in der Schule versagte sie auf der ganzen Linie. Sie wollte nicht in der Schule sein. Sie wollte nur nach Hause in ihr Zimmer und die Tür zumachen, um »sie« auszusperren, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wer »sie« waren.
An diesem Abend bekam sie einen Anruf. Es war Aidan. »Hi, Scarlett«, sagte er. »Ich wollte nur fragen – hast du Lust, morgen Nachmittag ins Kino zu gehen?«
Es war nur dieser eine Satz, aber ihr war klar, dass etwas nicht stimmte. Sie antwortete nicht sofort, sondern spulte in Gedanken noch einmal ab, was er gesagt hatte. Zum einen nannte Aidan sie niemals Scarlett. Er nannte sie Scar. Und auch sein Tonfall war komisch. Er hatte den Vorschlag nicht gemacht, als wäre es sein Wunsch, mit ihr auszugehen. Es hatte sich irgendwie unecht angehört, als würde er es von einem Zettel ablesen.
Als wüsste er, dass er abgehört wurde.
»An welchen Film dachtest du denn?«, fragte sie vorsichtig. »Weiß nicht. Vielleicht den neuen Batman oder so. Wir könnten in ein Kino im Westend gehen…«
Auch das war merkwürdig. Warum den ganzen Weg in die Stadt fahren? Dulwich hatte doch ein durchaus akzeptables Kino.
»Alles klar«, sagte sie. »Wann wollen wir uns treffen?« »Um zwölf?«
»Gut. Hol mich ab.«
Aidan tauchte am nächsten Tag pünktlich um zwölf auf, wie immer in Kapuzenshirt und Jeans. Auf dem Weg zur U-Bahn fragte sich Scarlett, ob sie in ihr Gespräch nicht zu viel hineininterpretiert hatte. Er war total entspannt und fröhlich. Sie unterhielten sich über die Schule, Fußball, Fast Food und die Wahl in Amerika, die immer noch Thema Nummer eins in den Nachrichten war. Im Gegensatz zu Scarlett interessierte sich Aidan für Politik.
»Charles Baker ist echt ätzend«, sagte er. Das war der Name des neuen Präsidenten. »Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand für den gestimmt hat. Der andere Typ, Trelawney, hätte gewinnen müssen.«
»Und wieso hat er nicht?«
»Keine Ahnung. Manche Leute sagen, dass die Wahl manipuliert war. Aber eines kann ich dir sagen, Scar… gewonnen hat der Falsche.«
Sie erreichten das Empire-Kino am Leicester Square, doch bevor sie zur Kasse gehen konnte, packte Aidan Scarlett plötzlich und zog sie zur Seite. Seine Stimmung hatte sich blitzartig verändert. Er vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, und begann hastig zu sprechen.
»Scar… ich muss dir was sagen. Es ist etwas total Verrücktes passiert.«
»Was denn?« Scarlett war vollkommen überrumpelt.
»Ich wusste nicht, ob ich es dir sagen sollte oder nicht. Als ich dich gestern angerufen habe, war es nicht, weil ich mit dir ins Kino wollte! Ein Typ hat mich angesprochen, als ich von der Schule kam.«
»Was für ein Typ?«
»Ich habe ihn noch nie vorher gesehen. Ich dachte erst, er wollte mir was verkaufen. Es war ein Chinese. Ein junger Mann. Er hat gesagt, dass ich dir eine Botschaft übermitteln soll.«
»Warum hat er es mir nicht selbst gesagt?«
»Ich kann dir nur sagen, was er mir gesagt hat.« Aidan fuhr sich mit der Hand durch die langen struppigen Haare. Dieser Teil des Foyers war immer noch menschenleer. Ein Stück entfernt verschwand gerade eine vierköpfige Familie im Zuschauerraum. »Er hat mich gefragt, ob er mit mir reden kann. Er kannte meinen Namen. Und er wusste, dass wir befreundet sind.«
»Was wollte er?«
»Ich will dich ja nicht panisch machen, aber er hat gesagt, dass er dich nicht selbst ansprechen könnte, weil dein Telefon abgehört wird und dich jemand beobachtet. Er meinte, du wärst in Gefahr.« Aidan
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