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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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getrennt, auf der Schiffe jeder Form und Größe unterwegs waren, die es wie durch ein Wunder schafften, nicht zusammenzustoßen. An der Pier lagen Kreuzfahrtschiffe, groß genug für eine kleine Armee, und kleine sampans, chinesische Ruderboote, flitzten um sie herum. Lastkähne und Containerschiffe schwenkten langsam nach links und rechts, während flinkere Fährschiffe, die Passagiere von einer Seite zur anderen beförderten, vor ihnen hin und her kreuzten. Da waren sogar ein paar Dschunken, alte chinesische Segelschiffe, die aussahen, als wären sie aus einem anderen Zeitalter angetrieben worden.
    Die Hochhäuser von Hongkong waren eine ganz eigene Welt: Sie schienen zu wetteifern, welches das höchste, das schlankste, das spektakulärste oder einfach das bizarrste war. Und die Art, wie sie zusammengepackt waren, die vielen Milliarden Tonnen Stahl und Glas und die vielen Leute, die übereinander lebten und arbeiteten – das alles hatte Scarlett bereits an einen Ameisenhaufen erinnert, aber jetzt erkannte sie, dass er für die reichsten Ameisen der Welt geplant war. Es gab kaum Fußwege in Hongkong. Ein Labyrinth aus überdachten Laufstegen verband die verschiedenen Gebäude und natürlich auch die Einkaufszentren, ganze Städte voller Armani, Gucci, Prada, Cartier und anderer Designer-Millionäre.
    Es gab wenig Farbe in der Stadt. Falls jemals irgendwelche Bäume oder Parks da gewesen waren, hatte die Ausbreitung der Stadt sie verschluckt. Sogar das Wasser war schiefergrau. Obwohl es bereits später Nachmittag war, hatte sich das Licht seit dem Morgen nicht verändert. Alles war in einen merkwürdig silbernen Dunst gehüllt, der die Bürogebäude in Kaulun weit entfernt und irgendwie unscharf wirken ließ.
    Auf der Herfahrt waren Scarlett auf der Straße etliche Leute aufgefallen, die weiße Masken vor Mund und Nase trugen, wie sie es nur von Chirurgen kannte. War die Luft wirklich so schlecht? Sie hatte ein paarmal geschnuppert, aber nichts gemerkt. Andererseits war die Luft im Auto vermutlich gefiltert gewesen und dasselbe galt bestimmt auch für dieses Büro. Die Fensterscheiben waren mehrere Zentimeter dick und hielten alle Geräusche und Gerüche von draußen ab.
    »Eine beeindruckende Aussicht, nicht wahr?«
    Scarlett drehte sich um. Ein Mann war vollkommen lautlos an sie herangetreten. Er war Europäer, etwa sechzig, mit weißem Haar und einer schmalen, silbern gerahmten Brille. Obwohl er lächelte, fühlte sich Scarlett von ihm abgestoßen – als wäre er eine Spinne oder eine giftige Schlange. Irgendetwas an ihm war unnatürlich. Er hatte ganz sicher eine Menge an seinem Gesicht machen lassen – Botox oder plastische Chirurgie –, aber irgendwie wirkte sein Fleisch wie tot. Seine Augen waren von einem sehr hellen Blau, so hell, dass sie fast farblos zu sein schienen.
    Das musste der Vorsitzende der Nightrise Corporation sein. Er trug einen teuren Anzug, ein weißes Hemd und eine rote Krawatte. Sehr erfolgreiche Leute haben eine bestimmte Art zu gehen: Sie walzen einfach vorwärts, als erwarteten sie, dass ihnen die Welt aus dem Weg geht, und genauso bewegte er sich. Er hatte eine tiefe, kehlige Stimme, die klang, als wäre er starker Raucher, und sprach mit einem leichten amerikanischen Akzent. Am Mittelfinger der linken Hand trug er einen silbernen Ring. Nicht am Finger für den Ehering. Scarlett war sicher, dass er nicht verheiratet war. Wer freiwillig mit so einem Mann zusammenlebte, konnte nicht ganz dicht sein.
    »Ja, nicht schlecht«, sagte Scarlett.
    Ihr Mangel an Begeisterung schien den Vorsitzenden zu enttäuschen. »Es gibt keine großartigere Stadt auf dem Planeten«, murmelte er. Er zeigte aus dem Fenster. »Das da unten ist Kaulun. Manche Leute sagen, der einzige Grund, dorthin zu gehen, ist der Blick, den man von dort aus auf diese Seite der Stadt hat, aber es gibt in Kaulun auch viele Museen und Tempel, die einen Besuch wert sind. Du kannst mit der Star-Fähre hinüberfahren. Schon die Überfahrt, sagt man, ist ein Erlebnis, wenn auch eines, das ich nie genossen habe.«
    »Wieso? Werden Sie seekrank?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Als ich zwölf Jahre alt war, hat mir ein Wahrsager prophezeit, dass ich bei einem Zwischenfall mit einem Boot sterben werde. Du hältst es sicher für albern, aber ich bin sehr abergläubisch. Da geht es mir wie den Chinesen. Sie glauben an das Glück als eine Macht, so etwas wie einen Geist. Dieses Gebäude zum Beispiel musste auf bestimmte Weise

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