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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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erbaut werden, mit der Eingangstür in einem gewissen Winkel und Spiegeln an entscheidenden Stellen – alles nach den Prinzipien des Feng-Shui. Alles andere könnte Unglück bringen. Und sieh mal da!« Er zeigte auf ein Fabrikgebäude auf der anderen Seite des Wassers. »Wie viele Schornsteine siehst du?«
    Scarlett zählte sie. »Fünf.«
    »Es sind vier echte Schornsteine. Der fünfte ist eine Attrappe. Er ist gebaut worden, weil ›vier‹ das chinesische Wort für Tod ist, fünf aber als Glückszahl gilt. Verstehst du? Die Menschen hier nehmen diese Dinge sehr ernst, und das tue ich auch. Aus diesem Grund halte ich mich vom Wasser fern und betrete niemals ein Boot.«
    Er deutete auf ein flaches Ledersofa gegenüber seinem Schreibtisch. »Bitte setz dich.«
    Scarlett tat, was er sagte. Er setzte sich neben sie.
    »Es freut mich, dich endlich kennenzulernen, Scarlett«, sagte er. »Dein Vater hat mir schon viel von dir erzählt.«
    »Wo ist mein Vater?«
    »Ich fürchte, ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich kann gut verstehen, wie enttäuscht du sein musst, dass er nicht hier war, um dich abzuholen. Aber leider hatten wir eine unerwartete Krise in Nanking.«
    »Ist das in China?«
    »Ja. Es gab dort ein rechtliches Problem, um das wir uns sofort kümmern mussten. Natürlich hätten wir lieber nicht deinen Vater geschickt. Aber er ist sehr gut in seinem Job und wir hatten niemand anderen.«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Es wird sicher nicht länger als eine Woche dauern.«
    »Eine Woche?« Scarlett war entsetzt. »Kann ich mit ihm telefonieren?«, fragte sie.
    Der Vorsitzende seufzte. »Das ist nicht so einfach. Es gibt immer noch Teile von China, die telefonisch kaum erreichbar sind. Die Überlandleitungen sind erst vor Kurzem wieder durch Überschwemmungen weggerissen worden und es gibt große Gebiete, in denen Mobiltelefone keinen Empfang haben. Ich bin ganz sicher, dass er versuchen wird, dich anzurufen. Es könnte aber eine Weile dauern, bis er Erfolg hat.«
    »Und was soll ich die ganze Zeit machen?«, fragte Scarlett, der es ganz egal war, dass man ihr ihre Gereiztheit anhörte.
    »Ich möchte, dass du dich amüsierst«, sagte der Vorsitzende. »Mrs Cheng wird bei dir bleiben, bis dein Vater zurückkommt, und Karl fährt euch, wohin du willst. In Hongkong kann man eine Menge unternehmen. In erster Linie natürlich einkaufen. Mrs Cheng verfügt über das entsprechende Budget. Dann gibt es ein Disneyland auf Lantau. Wir haben alle möglichen faszinierenden Märkte, die du dir ansehen solltest. Und du musst unbedingt eine Fahrt auf den Peak, den hohen Berg am Stadtrand, machen. Übrigens habe ich etwas für dich.«
    Er ging an seinen Schreibtisch und öffnete eine Schublade. Als er zurückkam, hatte er eine kleine weiße Schachtel in der Hand. »Es ist ein Geschenk für dich«, sagte er. »Als kleine Entschuldigung.«
    Er reichte ihr die Schachtel und sie klappte sie auf. Darin lag auf einem Wattepolster ein flacher runder Anhänger aus einem grünen Stein, durch den ein Lederband gezogen war. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass in die Mitte des Steins ein kleines Tier eingearbeitet war, eine Heuschrecke oder eine Echse oder eine Kreuzung aus beiden. Das Tier lag auf der Seite und hatte die Beine angezogen wie ein Fötus. Wäre es nicht so detailliert gearbeitet gewesen, hätte sie es sicher hässlich gefunden.
    »Das ist Jade«, erklärte er. »Es ist ziemlich alt und stammt aus der Yüan-Dynastie – also aus dem dreizehnten Jahrhundert. Darf ich es dir umlegen?«
    Er nahm den Anhänger aus der Schachtel. Verglichen mit der feinen Arbeit wirkten seine Finger dick und ungeschickt. Scarlett erlaubte ihm, ihr das Lederband über den Kopf zu streifen, obwohl sie es gar nicht mochte, seine Hände so dicht an ihrem Hals zu haben.
    »Es steht dir großartig, Scarlett«, sagte er. »Ich hoffe, du wirst gut darauf achten. Es ist sehr wertvoll, also lass es bitte nicht herumliegen.« Er stand auf. »Und jetzt muss ich dich leider schon wieder verlassen. Ich muss zu einer Vorstandssitzung. Am liebsten würde ich mich davor drücken, aber auch wenn ich der Vorsitzende bin, werden die anderen meinen Ruf nach Gnade wohl nicht akzeptieren. Ich muss mich also verabschieden, Scarlett. Es war mir eine Freude, dich kennenzulernen.«
    Meinen Ruf nach Gnade…
    Warum hatte er das gesagt? Ruf nach Gnade war der Name des Klosters auf der anderen Seite der Tür, in dem Scarlett gefangen gehalten worden war. Das konnte er

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