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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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doch das tat sie nie.
    Aber das war nicht alles. Scarlett gestand es sich nur ungern ein, weil es so gar nicht zu ihr passte. Sie hatte Angst.
    Sie hätte nicht genau benennen können, was sie an Hongkong störte, aber die Furcht, dass sich an der nächsten Ecke etwas auf sie stürzen könnte, wuchs und wuchs. Es war, als würde man durch ein Spukhaus gehen. Da sah man auch nichts. Es passierte auch nichts. Aber trotzdem war man nervös, weil man genau wusste, dass es im Haus spukt. Genauso ging es Scarlett – nur dass es in ihrem Fall kein Haus war, sondern eine ganze Stadt.
    Zuerst einmal waren da die Menschenmengen, die Leute auf der Straße. Natürlich wusste Scarlett, dass alle es eilig hatten: Sie mussten zur Arbeit, zu Konferenzen oder wieder nach Hause. In dieser Hinsicht waren alle Städte gleich. Aber die Leute in Hongkong sahen vollkommen tot aus. Niemand zeigte eine Gefühlsregung. Sie bewegten sich wie Roboter, alle im gleichen Tempo, und niemand sah einem anderen in die Augen. Scarlett erkannte jetzt, dass ihr Erlebnis in der Queen Street kein Einzelfall gewesen war. Es war, als würde die Stadt die Menschen irgendwie kontrollieren. Scarlett fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis sie auch sie kontrollierte.
    Der unheimliche graue Dunst war immer noch überall. Und das Schlimmste war, dass er mit jedem Tag dicker und dunkler zu werden schien. Mrs Cheng sagte, dass es an der Luftverschmutzung läge, aber der Dunst schien ein Eigenleben zu führen. Er hing an den Ecken herum und bedeckte alles. Er saugte die Farbe aus den Straßen und veränderte sogar die Wolkenkratzer – die oberen Stockwerke sahen dunkel und bedrohlich aus und wirkten wie tausend Jahre alte Bollwerke, die einfach nicht in die moderne Welt zu passen schienen.
    Und dann war da noch Wisdom Court. Schon vom ersten Moment an hatte Scarlett das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte. Die Wohnanlage war einfach zu still. Aber nachdem sie zwei Tage mit dem Fahrstuhl hinauf und hinunter gefahren und durch die Haustür ein und aus gegangen war, fiel ihr plötzlich auf, dass sie niemanden gesehen hatte. Es kamen keine Geräusche aus den anderen Wohnungen, kein Türenschlagen oder Babygeschrei. Es fuhr nie ein Wagen vor. Es zogen nie Koch- oder Reinigungsdünste durch die Flure. Abgesehen von Mrs Cheng schien sie hier ganz allein zu leben.
    Natürlich war da noch der Mann am Empfang. Anfangs hatte sie ihn kaum zur Kenntnis genommen. Er saß immer auf demselben Platz, vor einem Telefon, das nie klingelte, und starrte eine Haustür an, die fast nie geöffnet wurde. Er trug ein schwarzes Jackett und ein weißes Hemd. Sein Gesicht war blass. Er veränderte sich nie. Und es löste ihn nie jemand ab.
    Wie war das möglich? Scarlett begann, ihn genauer zu beobachten. Derselbe Mann am selben Platz, morgens, mittags, abends. Ging er niemals essen? Oder auf die Toilette? Es hätte ebenso gut eine Leiche dort sitzen können. Nachdem sie dieser Gedanke nicht mehr losließ, hastete Scarlett nur noch durch den Empfangsbereich, um ihn bloß nicht ansehen zu müssen. Natürlich war das unnötig, weil er sie ohnehin nie ansprach.
    Am dritten Abend, nach ihrem Besuch in Disneyland, versuchte sie, ein paar Antworten von Mrs Cheng zu bekommen. Die Chinesin war in der Küche und warf Garnelen und Bohnenkeime in einen Wok.
    »Wo sind alle?«
    »Wen meinst du, Scarlett?«
    »Wir sind hier allein, stimmt’s? Es wohnt sonst niemand in diesem Gebäude.«
    »Natürlich wohnen hier noch andere Leute.« Mrs Cheng drehte die Gasflamme hoch. »Sie sind vermutlich bei der Arbeit. Die Menschen in Hongkong sind immer sehr beschäftigt.«
    »Aber ich habe niemanden gesehen. In diesem Stockwerk wohnt sonst keiner.«
    »Einige Wohnungen werden zurzeit renoviert.«
    Scarlett gab es auf. Sie merkte, wenn sie angelogen wurde. Das war eine weitere Merkwürdigkeit für ihre Liste.
    Am nächsten Tag nahm Mrs Cheng sie zu einem Markt in einer Gegend mit, die Wan Chai hieß. Wie üblich wurden sie von Karl gefahren. Scarlett hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass er sie überallhin begleitete und nie ein Wort sagte. Sie fragte sich bereits, ob er überhaupt sprechen konnte. Er schien so etwas wie ihr Bodyguard zu sein, denn er folgte ihr stets mit ein paar Schritt Abstand.
    Scarlett hatte Märkte schon immer gemocht und in Hongkong herrschte ein besonders buntes Treiben auf den Straßen, direkt vor den teuren westlichen Geschäften und Bürogebäuden. Besonders

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