Hoellenprinz
des Tisches und lehnte sich zurück. Sie holte Luft, obwohl sie das Gespräch gesucht hatte, war es ihr total unangenehm. »Ich würde gerne mit euch über Freitagabend sprechen. Ich weià nämlich leider nicht mehr alles. Aber heute Nacht, da konnte ich mich plötzlich an was erinnern. Da war eine Frauenstimme, vielleicht war es meine, ich weià es nicht. Und da war Daniel. Und ein Streit. Aber die Erinnerung war total blass, ich konnte sie nicht richtig greifen und ich weià noch nicht mal, ob es wirklich eine war oder ob ich langsam verrückt werde.«
»Ich habe dir gesagt, was ich weië, sagte Sophie. »Aber Sebastian meinte, dass wir wahrscheinlich alle morgen noch mal ins Präsidium müssen. Die werten gerade die Spuren aus. Danach sind wir sicher schlauer.«
Luna sagte nichts. Sie stocherte mit dem Strohhalm in ihrem Eiskaffee herum. Irgendwie hatte Ela das Gefühl, dass sie etwas zurückhielt.
»Luna?«
Die Puerto Ricanerin blickte kurz auf und wand sich gleich wieder ihrem Becher zu. Dann sagte sie: »WeiÃt du noch Freitagnacht? Da haben wir eine Weile auf der Wiese gesessen.«
Ela nickte.
»Du warst sehr betrunken und hast mir die ganze Zeit gesagt, dass du mit mir nach Puerto Rico fährst.«
Ja, daran erinnerte sie sich tatsächlich. »Ich hab da auch geheult, oder?«
»Ja, hast du. Und du hast zu mir gesagt, dass du jemanden liebst, den du gerade lieber tot als lebendig sehen würdest.«
Luna sprach nicht weiter und Ela erstarrte. Ja, das hatte sie gesagt. Genau das. Oh Gott! Ihre Hände zitterten und sie fing an, mit ihrem Oberkörper vor und zurück zu wippen, immer wieder, ganz automatisch. So spürte sie sich. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen. Ihre Augen jagten über die Köpfe der Gäste hinweg, fanden aber keinen Halt.
»Ela«, sagte Sophie und legte ihre Hand auf Elas Handgelenk. Das war gut. »Beruhig dich. Es wird nicht viel passieren. Sogar wenn du es getan hast.«
»Was meinst du damit?«
»Es war nicht vorsätzlich und du warst betrunken. Wahrscheinlich kommst du nicht mal ins Gefängnis.«
Es gab keinen bodenständigeren und direkteren Menschen als Sophie und deshalb mochte Ela sie. Aber diese Worte gerade hatten definitiv ihr Ziel verfehlt. Ela hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. Hatte sie Daniel ermordet?
»Wenn ich es wirklich getan habe, wird es das Gefängnis immer geben â in meinem Kopf«, sagte sie leise.
Ela ging, ohne sich noch einmal von Luna zu verabschieden. Ihr fehlten dafür die Worte.
Auf dem Heimweg klingelte Elas Handy. Es war Mirko! Natürlich, den gab es ja auch noch.
»Hallo?«, sagte Ela.
»Hallo Ela, bist duâs?«
»Ja. Schön, dass du anrufst.«
»Wie geht es dir?«, fragte Mirko. An seiner Stimme erkannte sie, dass er Bescheid wusste. Daher fragte sie zurück: »Seit wann weiÃt du es?«
»Seit genau drei Minuten. Ich bin gerade erst von meinem Familienwochenende zurückgekommen und dann hab ichâs auf Facebook gelesen.«
»Was hast du da gelesen?«, fragte Ela erschrocken.
Mirko stockte. » Warst du heute noch nicht online?«
»Nein.«
»Dann lass es besser.«
Ela blieb stehen und setzte sich auf die Bordsteinkante. Facebook. Daran hatte sie überhaupt noch nicht gedacht.
»Wieso? Was steht da denn?«, fragte sie noch einmal.
»Egal. Das sind alles Idioten. Erzähl du mir, was passiert ist.«
»Ich habe einen Filmriss und Daniel ist tot. Das ist passiert. Und weil ich ihm in den Wald gefolgt war, als er Holz holen gegangen war, ihn dann niemand mehr lebendig gesehen hat und ich fast neben seiner Leiche auf dem Waldboden geschlafen habe, bin ich jetzt verdächtig. Und erinnern kann ich mich an nichts davon.«
Nach kurzem Schweigen antwortete Mirko: »ScheiÃe!«
»Das kann man wohl sagen.«
Und weil Mirko ausgerechnet jetzt angerufen hatte, jetzt, als es ihr so ging, wie es ihr ging, erzählte sie ihm alles. Von ihrer Liebe zu Daniel, ihrem schlechten Gewissen bei ihrem gemeinsamen Tanz, dem erzwungenen Kuss, der Vernehmung und den Versuchen, ihre Erinnerung zurückzugewinnen. Er stellte kaum Fragen, lieà sie einfach reden. Sie saà die ganze Zeit auf der Bordsteinkante, allmählich setzte die Dämmerung ein und es wurde ruhiger um sie herum â und auch in ihr.
»Kann ich dir
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