Hoellenprinz
genannt worden war und immer das Gefühl hatte, sich wie Pumuckl aufzulösen, sobald Menschen um sie herum waren.
»Hey Pumuckl, nicht weinen. Das stimmt nicht, was die blöden Ziegen in der Schule sagen. Du bist nicht langweilig, du bist anders und ich mag das.«
Er hatte DAS gesagt und nicht DICH, fiel ihr in diesem Moment ein und aus dem unterdrückten Lächeln wurde ein tief sitzender Lacher, den sie gerade noch mit einem Hustenanfall kaschieren konnte. Wenn sie jetzt lachte, würden die anderen sie für geisteskrank halten.
»Dann möchte ich die anderen jetzt bitten, das Präsidium zu verlassen«, durchbrach die Kommissarin den Schockmoment, den sicherlich alle Anwesenden als solchen erlebt hatten. »Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Bis zum Ende der Ermittlungen halten Sie sich bitte weiterhin bereit. Michaela. Komm doch bitte mit in mein Büro.«
Ela setzte sich wieder hin und nahm schemenhaft wahr, wie die Menschen den Saal verlieÃen. Dabei starrte sie konzentriert auf ihre Hände, die ineinander verschränkt vor ihr auf dem Tisch lagen, neben dem Stock. Es war wie ein Schweigemarsch, keiner sagte etwas. Eine Hand streifte ihre Schulter, wahrscheinlich Mirkos. Als sie aufblickte, sah sie nur noch Luna, die als Letzte den Raum verlieÃ. In ihrem Blick lag Mitleid. Als sie an Ela vorbeiging, blieb sie sogar kurz stehen und umarmte sie. Luna ist auch anders, wie ich, dachte Ela. Schade, dass sie geht.
Minuten später saà Ela wieder in dem kleinen Büro der Kommissarin. Zwischen ihnen auf dem Tisch lag der Stock. »Bist du dir sicher, dass das deiner ist?«
Ela zeigte Frau Volkmann wortlos die Wunde an ihrer Hand.
»Okay. Und wie kam dein Ohrring fünf Meter neben den Tatort?«
»Dort habe ich geschlafen.«
»Ich dachte, du hättest im Zelt geschlafen.«
»Da habe ich gelogen.«
»Warum?«
»Weil mir das peinlich war. Betrunken im Wald zu schlafen, ist nichts, worüber man gerne redet.«
In ihrem Hals bildete sich ein KloÃ. Sie wollte jetzt nicht heulen. Sie wollte das hier schnell hinter sich bringen und weggesperrt werden.
»Was macht denn dein Filmriss? Ist dir noch was eingefallen?«, fragte die Kommissarin.
»Nicht wirklich«, antwortete Ela. »Es hat einen Streit gegeben, zumindest bilde ich mir ein, mich an so was zu erinnern. Vielleicht hat mich Daniel irgendwie verletzt. Das hat er in letzter Zeit öfter getan. Ich war betrunken. Keine Ahnung, was Alkohol mit mir macht. Ich weià es einfach nicht!« Ela war immer lauter geworden und die letzten Worte schrie sie fast: »Sperren sie mich jetzt ein und dann ist gut!«
»Ach, Ela, wir sperren dich doch nicht einfach so weg«, sagte Frau Volkmann und lächelte freundlich. »Die Beweislage ist noch nicht eindeutig geklärt. Du willst etwas gestehen, an das du dich nicht erinnern kannst. Niemand hat gesehen, wie du Daniel mit dem Stock geschlagen hast.«
»Was heiÃt das?«
»Das heiÃt, dass wir beide jetzt gemeinsam zum Tatort fahren und uns das alles mal ganz in Ruhe anschauen.«
18
F rau Volkmann saà am Steuer ihres Autos und Ela auf dem Beifahrersitz. Sie sprachen nicht, fuhren einfach nur die LandstraÃe zum Zeltplatz. Genau hier waren sie auch am Freitag entlanggefahren, die anderen feiernd und bester Laune und Ela bemüht, es ihnen nachzutun. So hatte alles angefangen.
»Wir sind gleich da. Bist du bereit?«
»Ja«, antwortete Ela, ohne zu wissen, ob sie das wirklich war, schlieÃlich hatte sie keine Vorstellung von dem, was jetzt passieren würde. Als hätte Frau Volkmann Elas Gedanken gelesen, sagte sie: »Ich habe auch keine Ahnung, was passiert, Ela. Vielleicht kommt deine Erinnerung zurück, wenn du alles wiedersiehst, vielleicht aber auch nicht. Fühl dich nicht unter Druck gesetzt. Wir haben Zeit.« Sie blickte sie von der Seite an. » Es kann sein, dass gar nicht der Alkohol schuld an deinem Gedächtnisverlust ist. Es gibt zum Beispiel Amnesien nach Traumata. Es könnte etwas so Schreckliches passiert sein, dass du es verdrängt hast.« Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Gedächtnisverlust kann eine Art Schutz sein.«
Schweigen. Ela lieà die Worte auf sich wirken. Sie klangen logisch, aber beunruhigend. Ein ähnlicher Gedanke war ihr auch schon gekommen.
»Was, wenn ich mich plötzlich erinnere, wie ich ihn getötet
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