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Hoellenprinz

Hoellenprinz

Titel: Hoellenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zara Kavka
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Ich setze mich neben Daniel. Neben meinen Freund Daniel, der mir noch meinen ersten Kuss schuldet. In der einen Hand die Wodkaflasche, in der anderen meinen Stock, den ich auf dem Weg zum Feuer vom Boden aufgehoben habe, trinke ich mich ins Unglück. Rauch, Schwindel, Funken, Gelächter. Keine Worte, keine Bilder, der Rest sind Nebel und Dunkelheit.
    Wieder riss der Film ab.
    Schwärze. Scheiße!
    Krampfhaft begab Ela sich noch mal hinein in das Gefühl, spulte zurück, sah sich wieder am Feuer neben Daniel sitzen, spürte den Stock, die Flasche, ihre schreiende Sehnsucht …
    Nichts!
    Ela ging in den Wald. Sie atmete flach und immer schneller, je näher sie dem Tatort kam.
    Dort angekommen hielt sie die Luft an und scannte in Windeseile den Boden nach Spuren ab. Erst als sie sich sicher war, kein Zeichen der Tat mehr zu entdecken, konnte sie wieder atmen. Ihre Beine wurden wackelig, also setzte sie sich auf den Waldboden. Frau Volkmann kam auch und lehnte sich etwas abseits gegen einen Baum. Ihre Gegenwart tat gut. In der Nähe war ein Specht zu hören. Sein Klopfen hallte über den Wald hinweg. Plötzlich fiel ihr wieder das klopfende Geräusch ein, das ihr bei ihrer Großmutter in den Sinn gekommen war und das sie nicht hatte einordnen können. War das ein Specht gewesen? Mitten in der Nacht? Sie starrte auf die Stelle, an der Daniel gestorben war, und erinnerte sich an die Worte der Kommissarin vorhin im Versammlungsraum. Eine halbe Stunde hatte Daniel hier gelegen, verletzt aber lebendig, und war verblutet, langsam. Tröpfchen für Tröpfchen war das Leben aus ihm gewichen, während sie ein paar Meter weiter gelegen und ihren Rausch ausgeschlafen hatte. Frau Volkmann stieß sich mit dem Rücken vom Baum ab und kam auf sie zu. Sie setzte sich schweigend neben sie und legte einen Arm um Ela. Und weil sich Ela so erbärmlich und einsam wie noch nie fühlte und weil ihre komplette Welt kopfstand und sie keine einzige Antwort auf all die Fragen fand, legte sie ihren Kopf an Frau Volkmanns Schulter und fing an zu weinen. Zunächst leise, doch nach einer Weile wurde der Tränenfluss von heftigen Schluchzern begleitet. Und weil Ela hier, in den Armen der Kommissarin, den Gedanken an Daniels Tod zum ersten Mal nicht verdrängen musste, ließ sie es geschehen. Der lodernde Vulkan brach aus. Sie schluchzte laut und Frau Volkmann hielt sie einfach nur fest. Noch nie in ihrem Leben hatte Ela so geweint. Und doch kamen ihr die Schluchzer vertraut vor. Von irgendwoher kannte sie das. Nach einer gefühlten Ewigkeit verebbte der Weinkrampf und Ela setzte sich aufrecht hin.
    Â»Jemand hat in der Mordnacht geweint. Hier. Genau hier und genau so«, stammelte sie mit ihrer aufgebrachten Stimme. »Ich erinnere mich daran. Es muss etwas passiert sein, das mich so zum Weinen gebracht hat.«
    Â»Vielleicht die Tat selbst?«, schlug die Kommissarin vor.
    Â»Ja, vielleicht. Aber es fühlt sich nicht so an. Ich höre das Weinen nur, ich fühle es nicht.«

19
    L ukas hatte das erste Mal wieder das Gefühl, Boden unter den Füßen zu haben. Leicht fühlte er sich, geradezu beschwingt ging er zu Fuß vom Präsidium nach Hause. Eine Eifersuchtstat hatte sich Freitagnacht abgespielt. Er war raus aus der Gefahr, würde nicht das zweite Opfer werden. Trotz schlechtem Gewissen konnte er nichts dagegen tun: In diesem Moment war die Erleichterung größer als der Verlust und auch als die Wut auf Ela, weil sie ihm Daniel genommen hatte. Sie hatte zwar nicht direkt ausgesprochen, es getan zu haben, aber welchen anderen Schluss sollten ihre Worte zulassen? Sie tat ihm irgendwie leid. Vorhin hatte sie ein erbärmliches Bild abgegeben. Die Filmmaschinerie in seinem Kopf sprang an:
    Ela steht im Wald und schnüffelt intensiv in alle Richtungen. Plötzlich nimmt sie Witterung auf und läuft zielsicher durchs finstre Dickicht. Ihr Herzschlag wummert laut durch die Nacht. Ihr Gang passt sich diesem Rhythmus an und lässt den Waldboden vibrieren.
    Sie findet Daniel holzsammelnd, pirscht sich an, packt ihn von hinten und presst ihren Körper gegen seinen.
    Er kann sie nicht sehen, also fragt er: »Caro?«
    Als Antwort dreht sie ihn mit einer Bewegung um, presst ihren Mund auf seine Lippen und küsst ihn leidenschaftlich, atemlos, gierig.
    Â»Ela!«, stößt er unter dem Kuss hervor.
    Ihre Arme werden länger und länger und wickeln

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