Hoellenprinz
Sprechen zu hindern versuchte. Er war schrecklich aufgeregt.
Ela zuckte mit den Schultern. Die Tür hielt sie in der einen Hand, die andere lag auf dem Treppengeländer. Es sah nicht so aus, als würde sie ihn reinlassen wollen. Doch darauf war er vorbereitet:
»Wir können ein bisschen reden, wenn du magst. Ich habe gehört, dass du dich mit Caro gestritten hast. Wenn du also jemanden zum Reden brauchstâ¦Â«
In ihrem Gesichtsausdruck änderte sich etwas. Lukas konnte es allerdings nicht deuten. Entweder war es Skepsis oder Verwunderung oder Freude ⦠oder eine Mischung daraus.
Eine Armee kleiner feuerroter Ausrufezeichen steht einer Armee knallgelber Fragezeichen gegenüber. Die Ausrufezeichen haben ihre Waffen gezückt und ihre Feinde klar im Visier. Sie warten gebannt auf den Startpfiff und scharren mit den Hufen. Die Fragezeichen stehen unsortiert in der Gegend herum. Ihnen fehlt es an Disziplin und Strategie. Dafür sind die Ausrufezeichen nur windige Striche, während die Fragezeichen aus zwei kräftigen Kurven bestehen. Es herrscht also Chancengleichheit. In dem Moment â¦
»Also gut, komm rein.« Ela lieà das Geländer los und öffnete die Tür weit, damit Lukas an ihr vorbei ins Haus treten konnte. Er erschrak. Hier sah es genauso aus wie bei Daniel, nur spiegelverkehrt. Vom Flur aus gab es zwei Türen und links führte eine Treppe nach oben und weiter hinten eine nach unten. Die gleichen Fliesen, das gleiche Treppengeländer, die Treppenmaserung, sogar der Geruch war ähnlich. Sie ging vor ihm nach oben. Ela gehörte das Zimmer neben der Treppe, nicht wie bei Daniel, dessen Zimmer am Ende des Gangs war. Als er durch ihre Tür trat, blickte er direkt auf Daniels Haus. Wie musste das für Ela sein, ununterbrochen auf das Haus ihres Opfers schauen und vor allem die trauernde Mutter erleben zu müssen. Ein Horror!
Er scannte das Zimmer nach einer möglichen Positionierung der Kamera ab und fand auch gleich einen geeigneten Ort: die Gardinenstange. Sie hatte lauter Knubbel und Wellen und die Gardinen waren nur Dekoration, wurden also nie zugezogen, der ideale Platz.
Aber erst musste er sein Versprechen einhalten: mit ihr reden. Eine Disziplin, in der er ungefähr so begabt war wie eine Schnecke im Stabhochsprung. Dank seiner Vorbereitungen hatte er es bis hierher geschafft, allerdings waren seine Vorräte an Sätzen bereits erschöpft.
»Ja, also. Wie ist es denn mit der Kommissarin weitergegangen?«
Ela zuckte mit den Schultern. Sie setzte sich auf ihren Stuhl, sodass für Lukas nichts mehr zum Sitzen da war. Unbeholfen blieb er im Zimmer stehen. Nach einer Weile voll unangenehmer Stille fing er an, sich Elas Regal anzuschauen, allerdings ohne wirklich hinzusehen. In seinem Kopf spukten viel zu viele Satzanfänge herum, die sich gegenseitig wegscheuchten, wie Billardkugeln, die aufeinanderstieÃen.
»Sag mal, Lukas«, brach Ela schlieÃlich die Stille, machte aber sofort wieder eine Pause und blickte ihn von unten an, scheu, schüchtern. »Was willst du eigentlich hier? Ich meine, so wie es aussieht, habe ich deinen besten Freund umgebracht.«
Volltreffer. Genau diesen Gedanken hatte er die ganze Zeit versucht, nicht zu denken, und nun kullerte er wie eine Kanonenkugel durch den Raum. Lukas spannte alle Muskeln seines Körpers an. Er ärgerte sich, dass er sich nicht besser darauf vorbereitet hatte, und überlegte, vielleicht ein bisschen zu lang, dann sagte er:
»Ich habe auch schon Mist im Suff gebaut.«
»Mist bauen und jemanden umbringen sind ja wohl zwei verschiedene Dinge, oder?«
»Ja schon, aberâ¦Â« Lukas fing an, nervös mit seinem Fuà zu wippen. »Na jaâ¦Â« Verlegen steckte er seine Hände tief in die Jeanstasche, fühlte die Kamera und lugte zur Gardinenstange rauf. »Alkohol ist nun mal ein Mörderzeug.«
Ela schnaubte durch die Nase, was wie eine Mischung aus Lachen und Verachtung klang. Erst dadurch ging Lukas auf, was er da gerade gesagt hatte, dabei hatte er nur seinem Vater nachgeschwätzt, aber hier und jetzt war das echt eine Punktlandung.
»Hast du Daniel und mich auch im Wald verschwinden sehen?«, fragte Ela plötzlich.
»Ja. Wie alle halt.«
»Und den Kuss? Den hast du sogar fotografiert. Danke dafür.« Ihr Ton war barsch. Caro hatte ihr also das Foto gezeigt.
»Na ja, ehrlich gesagt haben das fast alle
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