Hoellenprinz
saà in ihrem Sessel im Wohnzimmer und blickte starr auf ihren SchoÃ. Tante Waltraud war anscheinend nicht da. Ela erinnerte sich, dass sie davon gesprochen hatte, noch schnell einkaufen zu wollen, bevor sie wieder nach Hause fuhr.
In der Hoffnung auf gute Stimmung rief Ela freundlich: »Hallo Oma. Wollte mal nach dir schauen.«
Ohne ihre Starre zu lösen, antwortete ihre GroÃmutter: »Wer bist du? Verschwinde!«
Ela verlor die Hoffnung auf eine schnelle Erledigung. »Oma, ich binâs. Ich wollte nur nachschauen, wie es dir geht.«
»Lass mich in Ruhe!«, sagte diese barsch. »Es geht mir nicht gut.«
Ela trat auf sie zu und legte ihre Hand auf die Schulter ihrer GroÃmutter. » Hast du schlecht geschlafen?«
»Nein.«
»Hast du Schmerzen?«
»Nein. Was sollen die Fragen?«
»Du hast heute noch nichts getrunken, stimmtâs?«, fragte Ela. » Ich bringe dir ein Glas Wasser, dann geht es dir bestimmt gleich besser.«
»Woher weiÃt du das?«
»Du musst mehr trinken, das hat der Arzt auch gesagt.«
»Woher weiÃt du das?«, rief ihre GroÃmutter jetzt laut und unfreundlich.
»Ich weià es eben!«, schrie Ela zurück und es tat ihr augenblicklich leid. Sie hasste es, wenn sie die Geduld bei ihrer GroÃmutter verlor. Manchmal machte sie ihre GroÃmutter und deren ständiges Misstrauen geradezu aggressiv, aber da war noch etwas anderes, was Ela beunruhigte. Sie konnte aber nicht sagen, was.
Ela ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, führte sie die Hand der GroÃmutter zum kühlen Glas. »Hier Oma, trink das aus und du wirst sehen: Gleich geht es dir besser.«
»Woher weiÃt du das?« Sie ignorierte das Glas, drehte ihren Kopf weg und blickte wieder aus dem Fenster. Ela blieb stehen. Diese Frage ⦠Die kam ihr irgendwie seltsam vor. Ihr Herz schlug wie verrückt und ihr wurde übel. Was war nur los? Die GroÃmutter war barsch, aber nicht mehr als sonst. Warum reagierte sie darauf so heftig?
Ela führte das Glas an den Mund der GroÃmutter, doch die fragte nur noch lauter: » Woher weiÃt du das?«
Ela setzte sich auf den kleinen FuÃhocker, der vor ihrer GroÃmutter stand. Ihr war schwindelig, in ihrem Kopf tobte ein Wirrwarr.
»Woher weiÃt du das?«, hörte sie plötzlich eine Stimme. Immer wieder. Immer lauter. »WOHER WEISST DU DAS?«
»Lass mich in Ruhe!« Das war Daniel.
Ela schloss die Augen, stellte das Glas auf den Boden und hielt sich die Ohren zu. Sie durfte jetzt auf keinen Fall abgelenkt werden. Weiterdenken. Was war noch? Ein Schlag, mehrere dumpfe Schläge. War das womöglich der Stock, der an Daniels Kopf â¦
Sie musste würgen. Schnell rannte sie zum Klo, doch es kam nichts.
»Du bist ein Schwein, ein Schwein, ein Schwein.« Wut lag in der Stimme.
»War ich das?« Ela erschrak vor ihrer eigenen Stimme. Sie hatte diese Frage laut gestellt, nachdem sie sich auf den Badewannenrand gesetzt hatte.
»Nein«, gab sie sich zur Antwort und erinnerte sich plötzlich deutlich, wie sie versucht hatte wegzukriechen, aus Angst, dass etwas oder jemand auf sie fallen könnte, so nah war sie am Geschehen gewesen.
Ela dachte an den Film und an Daniels Bemerkung auf dem Foto: »Opfer Nr. 2«. Das war Luna. Opfer Nummer eins könnte Sophie sein. Hatte eine der beiden herausgefunden, dass sie gefilmt worden waren, und sich Freitagnacht gerächt? Die Sätze würden genau dazu passen. Aber da war ja auch noch dieser Unbekannte mit den kurzen Haaren auf den Fotos. Ela bemerkte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Sie saà am ganzen Körper angespannt noch immer auf dem Badewannenrand und blickte nun auf, direkt in den Spiegel über dem Waschbecken.
Ich habe Daniel nicht umgebracht. Ich war nur in der Nähe gewesen. Diese plötzliche Gewissheit floss wie Balsam durch ihren Körper, der sich augenblicklich entspannte.
Ela fiel die Trauerfeier wieder ein, von der Mirko ihr erzählt hatte. Vielleicht war das ein besserer Ort, um Sophie und Luna zu treffen, als jetzt zu ihnen zu gehen. Wenn eine der beiden oder beide zusammen etwas mit Daniels Tod zu tun hatten, wollte sie ihnen nicht alleine gegenübertreten. Auch wenn Ela auf der Trauerfeier als vermeintliche Täterin nicht gerne gesehen wurde, beschloss sie hinzugehen. Wer weiÃ, vielleicht
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