Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
fuhr sie ihn
an. »Dann hätte Frau Kratzer nämlich viele Liaisons . Die Frau lässt sich
für ihre Dienste bezahlen, und das bestimmt nicht zu gering.«
»Sind Sie
sicher?«
»Das bin
ich, und zwar ganz sicher!«, fauchte die Dame. »Ich habe sie deswegen schon
zwei Mal angezeigt, konnte es ihr aber nicht beweisen; so ist das leider bei uns
in Deutschland.«
Lenz zögerte,
bevor er seine nächste Frage stellte.
»Und warum
genau haben Sie Frau Kratzer angezeigt?«
»Weil sie
nach meiner Meinung ein Gewerbe hier im Haus betreibt, und das ist laut Eigentümersatzung
verboten. Noch dazu, wo es sich um ein horizontales Gewerbe handelt. Was
soll man denn den Kindern erzählen, die auch hier wohnen?«
»Und Frau
Kratzer hat behauptet, oder richtiger, behauptet natürlich noch immer«, bekam Lenz
gerade noch die Kurve, »dass dem nicht so sei?«
»Klar. Die
Frau lügt, dass sich die Balken biegen.«
Lore Semlins
Gesicht nahm langsam eine ungesund dunkelrote Farbe an.
»Wo die
geht und steht, lügt sie. Das sage ich Ihnen, Herr Inspektor.«
»Hauptkommissar.
Meine korrekte Dienstbezeichnung ist Hauptkommissar, Frau Semlin.«
»Ist das
mehr als Inspektor?«, wollte sie irritiert wissen, zu einer Antwort kam es jedoch
nicht mehr, denn die beiden wurden von einem Klingeln an der Wohnungstür unterbrochen.
»Das sind
vermutlich die Kollegen«, beeilte sich Lenz zu erklären und stemmte sich hoch.
Die Wohnungsinhaberin
stand ebenfalls auf, bewegte sich kommentarlos in den Flur und sah durch den kleinen
Spion in der Tür.
»Da ist
niemand«, stellte sie fast beleidigt fest und griff zu dem links neben dem Eingang
angebrachten Hörer.
»Ja, bitte?«
Es entstand
eine kurze Pause.
»Nein, das
bin ich nicht. Guten Abend und auf Wiedersehen.«
Damit trabte
sie zurück in die Küche, wo sie von Lenz, auf seine Krücken gestützt, erwartet wurde.
»Als ob
ich es nötig hätte, mir eine Pizza zu bestellen!«
»Das war
ein Pizzaservice?«
»Ja, ganz
richtig. Aber ich vermute, die haben sich im Haus geirrt. Das kommt leider öfter
vor.«
Lenz nickte
der Frau zu.
»Ich muss
jetzt auch weiter, Frau Semlin. Und vielen Dank für alles.«
»Na, so
viel war es ja nicht, Herr Inspektor. Und von Ihnen hätte ich mir auch ein wenig
mehr erwartet.«
»Ja, so
geht das«, meinte der Polizist traurig und humpelte langsam Richtung Flur. Dann
jedoch drehte er sich noch einmal um.
»Sie erwähnten
eben eine Eigentümersatzung. Was genau muss ich mir darunter vorstellen?«
Sie zögerte
eine Weile mit ihrer Antwort.
»Das ist
so etwas wie die Hausordnung, der sich die einzelnen Wohnungseigentümer unterwerfen.«
»Ach«, gab
er überrascht zurück, »die Wohnungen sind Eigentum, die werden gar nicht vermietet?«
»Doch, natürlich
haben ein paar der Eigentümer ihre Wohnungen vermietet. Aber das trifft nach meinem
Kenntnisstand nur auf drei Objekte zu. Von immerhin 22.«
»Hier im
Haus gibt es 22 Wohnungen?«, zeigte Lenz sich völlig überrascht.
»Nein, nicht
hier im Haus, sondern in der ganzen Anlage. Da sind die umliegenden Häuser mitgerechnet.
Das gehört alles zusammen und bildet rechtlich eine Einheit.«
Der Hauptkommissar
zeigte Lore Semlin sein gewinnendstes Lächeln.
»Sie könnten
mir doch bestimmt auch sagen, ob Frau Kratzer die Eigentümerin der Wohnung im 4.
Stock wa… äh, ist?«
Die Frau
bemerkte seinen erneuten Lapsus nicht.
»Das könnte
ich, natürlich.«
»Und, wollen
Sie auch?«
Wieder überlegte
sie eine Weile.
»Sie sind
kein schlechter Mensch, Herr Inspektor, deshalb will ich mal nicht so sein, obwohl
Sie das auch über das Katasteramt herausfinden könnten. Die Wohnung gehört einem
gewissen Herrn Ehrenreich. Er ist noch nie persönlich bei einer Eigentümerversammlung
aufgetaucht, deshalb kann ich Ihnen leider gar nichts zu seiner Person sagen.«
»Ehrenreich«,
wiederholte Lenz mehr für sich als für die Frau.
»Wo der
Herr wohnt, wissen Sie nicht zufällig auch noch?«
»Irgendwo
hier in Kassel, daran kann ich mich erinnern. Den Rest müssen Sie schon selbst herausfinden.
Denn wozu sind Sie denn sonst Polizist?«
»Ja, das
wird schon klappen«, erwiderte Lenz, während er zunächst tief Luft holte und sich
danach wieder in Bewegung setzte.
»Nochmals
vielen Dank, Frau Semlin.«
»Gern, Herr
Inspektor.«
8
Maik Wesseling nahm einen letzten
Zug aus der filterlosen Zigarette, presste den Rest in den Aschenbecher auf dem
Schreibtisch, griff zum Telefonhörer und drückte eine
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