Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Es gibt
sicher gute Gründe, warum Sie sich so intensiv für Herrn Ahrens interessieren, nicht?«
»Die gibt
es, ja«, gab der Polizist zurück, ohne weiter auf ihre Frage einzugehen. »Ist Ihnen
bei Herrn Ahrens jemals so etwas wie Gewaltbereitschaft aufgefallen? Oder hat er
vielleicht zum Jähzorn geneigt?«
»Ahrens«,
lachte sie nun auf, »zum Jähzorn geneigt? Oder zu Gewalttätigkeiten? Schon allein
die Tatsache, dass Sie so etwas fragen, beweist mir, dass Sie ihn nicht kennen.
Sie haben ihn noch nie zu Gesicht bekommen, oder?«
»Doch, aber
nur kurz.«
»Wenn Sie
mehr als fünf Minuten mit diesem Mann in einem Raum gesessen hätten, wüssten Sie,
dass er alles andere ist als ein gewalttätiger Mensch.«
Ihre Füße
standen nun völlig ruhig und unbeweglich auf dem Boden.
»Ich kann,
da verzeihen Sie mir jetzt bitte meine Offenheit, Bernd Ahrens als Menschen wirklich
nicht leiden, aber einen Hang zur Gewalt hat er nach meiner Meinung garantiert nicht.
Eher würde ich ihn zu den Lämmern zählen, wenn es nicht gerade um seine religiösen
Überzeugungen geht.«
»Aber die
vertritt er doch recht vehement, wenn ich Sie richtig verstanden habe«, meinte Hain.
»Das macht
er, ja, aber nur mit Worten. Die nerven zwar, tun aber niemandem körperlich weh.«
»In der
Regel nicht, nein.«
Die Marktleiterin
sah auf ihre Armbanduhr.
»Ich muss
mich jetzt leider von Ihnen verabschieden. Wenn Sie weitere Fragen haben, müssten
wir einen Termin vereinbaren, ansonsten können Sie sich auch gern mit den Kollegen
unterhalten. Ich bin sicher, die werden Ihnen nichts anderes als ich sagen.«
»Danke für
das Angebot«, lehnte Lenz ab, »aber das dürfte nicht notwendig sein. Falls wir noch
Fragen haben, melden wir uns einfach bei Ihnen.«
Er reichte
ihr seine Visitenkarte.
»Und für
den unwahrscheinlichen Fall, dass Herr Ahrens hier auftauchen sollte, reicht ein
kurzer Anruf auf meinem Mobiltelefon.«
»Das werde
ich machen. Auf Wiedersehen, meine Herren.«
»Auf Wiedersehen.«
»Ein Lamm, das in völliger Ruhe
zwei Bullen abkocht, als die sich nach ihm erkundigen?«, zweifelte Hain die Worte
der Frau an, als die Polizisten auf dem Weg zum Wagen waren. »Für mich ist der Typ
alles andere als …«
»Hallo,
Entschuldigung …«, wurde der Oberkommissar von einem Mann unterbrochen, der hinter
ihnen aufgetaucht war.
»Ja, bitte?«,
antwortete Hain. »Was gibt es denn?«
»Sie sind …, ich meine …, Frau
Wegener vom Counter am Eingang hat mir Bescheid gesagt, dass Sie sich mit Frau Schotzki
über Herrn Ahrens unterhalten haben. Und dass Sie von der Polizei sind.«
»Das stimmt,
ja. Ist das für Sie ein Problem?«
»Nein, nein«,
winkte er ab. »Ich habe mir nur gedacht, dass Bernd vielleicht in Schwierigkeiten
stecken könnte. Er hat sich doch nicht am Ende etwas angetan?«
»Wie kommen
Sie darauf?«, wollte Lenz wissen.
»Er hat
mich letzte Nacht angerufen. Eigentlich war es schon heute Morgen.«
»Aha. Und
was hat er gewollt?«
»Er wollte
gern mit mir reden.«
»Das ist
aber schon ungewöhnlich, dass Ihr Kollege Sie mitten in der Nacht anruft, richtig?«,
fragte Hain. »Oder sind Sie beide so gut bekannt?«
»Ja, eigentlich
schon … Besser gesagt, nein, das waren wir früher mal. Seit etwa zwei Jahren
haben wir uns mehr und mehr aus den Augen verloren, zumindest privat.«
»Gab es
dafür einen bestimmten Grund?«
»Gründe
gibt es doch immer für so etwas. In diesem speziellen Fall hatte es etwas mit meiner
Familie zu tun. Meine Frau und meine älteste Tochter wollten nicht mehr so viel
Kontakt, weil sie der Meinung sind, dass Bernd zunehmend merkwürdig wird. Merkwürdig
und verschroben.«
»Und was
wollte er letzte Nacht von Ihnen? Gab es etwas Besonderes, oder wollte er einfach
ein bisschen mit einem ehemaligen Freund plaudern?«
»Das weiß
ich nicht genau. Wir hatten gerade eine halbe Minute zusammen gesprochen und ich
war dabei, ein wenig wacher zu werden, da sagte er mir, dass sein Leben so nicht
weitergehen könnte. Er hätte etwas sehr Böses getan und er hätte immer wieder sehr,
sehr böse Gedanken. Und mit seinen Leuten, also denen von seiner Gemeinde, könne
er darüber nicht reden.«
»Aber er
hat dieses ›Böse‹ näher präzisiert?«
»Nein, dazu
kam es nicht mehr, obwohl ich ihn natürlich gern danach gefragt hätte. Kurz nachdem
er mir davon erzählt hatte, fing er furchtbar an zu weinen, und dann hat er einfach
aufgelegt. Als
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