Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
dann stehe ich an der Straße und warte auf Sie.«
»Ich werde
da sein.«
Sie beendete
das Gespräch, stand auf, steckte das Telefon und die Zigaretten weg und ging ins
Innere des Eiscafés, wo sich fast ein Dutzend Menschen an der Theke drängelten,
die darauf warteten, bedient zu werden. Trotzdem kam Marco sofort auf sie zu.
»Schon wieder
los?«
»Ja, ich
muss. Kann ich zahlen?«
»Klar.«
Er nahm
ihren Geldschein entgegen, gab passendes Kleingeld zurück und verabschiedete sich
von ihr.
»Mach’s
gut, Viola, bis zum nächsten Mal. Und schlaf dich vielleicht mal richtig aus.«
»Ja, Marco,
das werde ich machen.«
Sie bedachte
ihn mit einem freundlichen Blick, drehte sich um und stand einen Augenblick später
an der Straße. Genau in diesem Moment hielt direkt vor ihr ein dunkelblauer BMW-Kombi
mit auf der Beifahrerseite geöffnetem Fenster.
»Darf ich
bitten?«, fragte der etwa 50-jährige Fahrer, nachdem Viola sich nach vorn gebeugt
und einen Blick in den Wagen geworfen hatte.
Sie öffnete
langsam die Tür, sah noch einmal über das Dach des Wagens hinweg auf die andere
Straßenseite und ließ ihren schlanken Körper auf den Sitz fallen.
»Hallo,
Viola.«
»Hallo,
wer auch immer Sie sind.«
»Mein Name
ist Franz. Franz Höflehner.«
Sie zog
die Tür ins Schloss und blickte dem Mann ins Gesicht.
»Klingt
nicht so richtig nach ehemaliger DDR, oder?«
»Mein Großvater
stammte aus Österreich.«
Er legte
den ersten Gang ein, gab langsam Gas und fädelte sich in den Verkehr ein.
»Wo fahren
wir hin?«, wollte die Frau wissen.
»Raus aus
der Stadt.«
»Das hilft
mir nicht unbedingt weiter. Ich muss alle zehn Minuten eine Freundin anrufen, damit
sie weiß, dass es mir gut geht. Wenn ich mich länger als elf Minuten nicht bei ihr
gemeldet habe, ruft sie sofort die Polizei an. Sie hat im Eiscafé gesessen und sich
die Nummer deines Wagens notiert.«
»Das klingt
ja wie eine Szene aus einem Agentenfilm. Aber ich kann verstehen, dass du vorsichtig
bist. Maik hat mich darauf vorbereitet.«
»Er hat
gesagt, ich bin vorsichtig?«
»Das hat
er gesagt, ja. Und er hat gesagt, dass du ziemlich clever bist.«
»Hoffentlich
denke ich daran, mich bei ihm zu bedanken, wenn ich ihn sehe.«
»Ich werde
dich daran erinnern.«
Während
der Mann am Steuer den Kombi langsam und besonnen in Richtung Westen aus der Stadt
rollen ließ, warf Viola ihm ein paar verstohlene Blicke zu. Falls die ganze Sache
sich als Verarsche herausstellen sollte, wollte sie sich so viele Details wie möglich
über ihn gemerkt haben.
Etwa 50
Jahre, vielleicht ein wenig jünger. Schwarze, glatte Haare mit ein bisschen Gel
drin. Könnte allerdings auch Wachs oder Pomade sein, so wie es in der Karre riecht.
Hakennase. Deutliche Hakennase. Glatt rasiert. Weißes Hemd, dunkle Hose. Schade,
dass ich seine Schuhe nicht sehen kann. Schuhe verraten immer viel über die Männer .
Als sie
angefangen hatte, als Hure zu arbeiten, waren ihr die Schuhe ihrer Freier ziemlich
egal gewesen. Erst mit den Jahren war ihr bewusst geworden, dass Schuhe etwas über
die Männer, die sie trugen, aussagten.
Da war einer
ihrer Stammfreier, der immer das gleiche Paar billiger Kunstlederschuhe trug, dessen
eine Plastiksohle auch noch in der Mitte durchgebrochen war. Irgendwie war auch
er billig und vielleicht war er auch irgendwo zerbrochen. Ein anderer trug immer
Sportschuhe, obwohl sein dicker Bauch und seine dürren Beine ein Lied davon sangen,
dass er völlig unsportlich war. So benahm er sich übrigens auch im Bett. Statt schnell
und dynamisch, musste sie sich jedes Mal mächtig abplagen mit ihm.
Am liebsten
waren ihr die Kerle mit rahmengenähten Lederschuhen. Da musste sie nur einmal hinschauen
und wusste, dass dieser Mann Stil hatte. Oder zumindest Geld. Meistens jedoch eine
Kombination daraus. Was nicht hieß, dass diese Männer sie immer gut behandelten,
das weiß Gott nicht. Manchmal waren es sogar richtige Arschlöcher, aber immerhin
Arschlöcher mit Stil und Kohle.
Der Mann,
der sich Franz Höflehner nannte, lenkte den BMW auf die Druseltalstraße stadtauswärts.
Harte Hände.
Ich kann deutlich seine harten Hände sehen.
Damit kannte
Viola sich bestens aus. Natürlich wollte jeder ihrer Freier sie berühren; bei den
meisten wäre sie sogar so weit gegangen, es als betatschen zu bezeichnen.
»Ich will
deine Titten in die Hand nehmen«, war noch eine der netteren Ansagen.
Die mit
den guten Lederschuhen hatten in der Regel weiche, manchmal sogar
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