Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
Spitzkis Geschichte hatte ich diesen Status verdient. Deshalb muss ich jetzt damit rechnen, von allen Hells Angels, denen ich begegne, attackiert zu werden – mit einem Messer, einem Backstein, einer Bratpfanne oder auch einer Kanone. Sonst müssten sie befürchten, ebenfalls rauszufliegen.
An sich ist das auch okay so. Aber in meinem Fall wurde mir etwas angehängt, und ich erhielt keine Chance, das aufzudecken. Ich halte das für einen Fehler im System der Hells Angels, denn heute bin ich davon überzeugt, dass ich mit Sicherheit nicht der Einzige bin, der – ohne überhaupt zu wissen warum – zu Unrecht aus dem Club geflogen ist und für den seine ehemaligen Brüder dann zu einer ständigen Bedrohung geworden sind.
Weder meine ehemaligen Kasseler Brüder noch die Hells Angels Germany oder die Member anderer Motorrad-Clubs haben sich bisher getraut, mich anzugreifen. Ich glaube, dass sie es auch in Zukunft nicht wagen werden. Denn sie wissen, dass ich bis zum letzten Atemzug kämpfen werde. Und ihnen muss klar sein, dass ich meine Tattoos behalten und zeigen werde. Solange ich lebe.
Unter Polizeischut z
Der Staatsanwalt kannte mich bereits aus meiner Drogen-Vergangenheit. Er hatte mich angeklagt, ich wurde verurteilt. Damals dachte ich, dass ich niemals freiwillig mit einem Staatsanwalt reden könnte, denn die hatten immer dafür gesorgt, dass ich in den Knast musste. Wegen denen hatte ich viel Geld verloren und musste mich immer wieder neu um meine Geschäfte und meine Mädels kümmern.
In unserem Gespräch erklärte er mir, dass er ein Ermittlungsverfahren gegen mich einleiten müsste – wegen der angeblichen Drogensache und dem Überfall auf die Russen. Dazu sei er von Amts wegen verpflichtet. Straftatbestand: bewaffneter Raubüberfall und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ich sah der Sache völlig entspannt entgegen, schließlich konnten sie mir diesmal absolut nichts anhängen.
Der Staatsanwalt verlangte von mir Kooperation und absolute Ehrlichkeit. Alles musste auf den Tisch, ohne Wenn und Aber, lückenlos, denn nur so sei ein Schutz meiner Schwester möglich. Er belehrte mich, dass er automatisch auch gegen mich ermitteln müsste, sobald ich mich selbst einer Straftat bezichtigte. Ich willigte ein.
Nachdem meine Schwester und ich die Kanzlei verlassen hatten, nahm der Staatsanwalt Kontakt zu zwei ihm vertrauenswürdigen Beamten auf. Die beiden waren vom ZK 44, dem Zeugenschutz. Sie sollten mit uns Sondierungsgespräche führen, um das ganze Ausmaß der Geschichte zu erkennen.
Der erste Treffpunkt war eine Raststätte an der Autobahn. Als die Beamten aus ihrem abgedunkelten Audi stiegen, stellte sich der eine als langjähriger Bekannter heraus: Er und seine Kollegen hatten mich schon einmal festgenommen – das erste Mal wegen Drogenbesitzes. Damals hatten sie mir eine Falle gestellt, mir eine Kanone an den Kopf gehalten und mich in U-Haft gesteckt. So klein war also die Welt! Ich war verblüfft: Mit dem Typen, der mich damals verhaftet hatte, sollte ich jetzt kooperieren? Ich konnte nicht glauben, dass wir plötzlich gemeinsam an einem Strang zogen. Schließlich hatten er und seine Kollegen über Jahre hinweg alles daran gesetzt, meine Brüder und mich auffliegen und einbuchten zu lassen. Wenn sie uns mal wieder etwas versaut hatten, machte sich das ganz gut auf ihrer Karriereleiter. Ich sah der Zusammenarbeit skeptisch entgegen.
Über Wochen hinweg trafen meine Schwester und ich uns mit den beiden Beamten. Das erste Mal verabredeten wir uns an der Stadthalle in Kassel. Wir fuhren hinter ihnen her, zu einem leerstehenden Gebäude, wo die Meetings stattfanden. Nachdem wir mit ihnen alles haarklein durchgesprochen hatten, schalteten sie das ZK 30 ein – ein Polizeikommissariat, das sich aus schließlich mit dem Thema Organisierte Kriminalität beschäftigt.
Die späteren Treffen waren nicht mehr so locker. Mit unserem Auto fuhren wir zu einem vorher verabredeten Treffpunkt, wo wir in Zivilfahrzeuge der Bullen umstiegen. Die Fenster abgedunkelt, aber nicht kugelsicher. Die Fahrt endete an einem alten Polizeigebäude. Hier war die Einfahrt nur über eine Schleuse möglich.
Der Kontaktbeamte, der die eigentlichen Ermittlungen führte, war ebenfalls ein »alter Bekannter«. Wir sprachen über das Vergangene, wobei ich schmunzeln musste. Denn er war derjenige, der die Clubhaus-Stürmung geleitet und im Prozess später gegen alle Hells Angels ausgesagt hatte. Jetzt war es sein Ziel, den
Weitere Kostenlose Bücher