Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
Member fragten mich, wo denn die zwanzig anderen Deutschen seien, denn außer mir befand sich keiner mehr auf dem Gelände. Vielleicht waren sie im Hotel oder in der Disko: Ich wusste es nicht. Die Resonanz aus Deutschland war wie immer ohnehin sehr gering: Cody sollen mehr Schweizer als Deutsche besucht haben – obwohl es damals in der Schweiz nur drei Charter gab. Die Amerikaner fanden das überhaupt nicht gut. Auch verurteilten sie den Zusammenschluss der Bones mit den Hells Angels ebenso wie die ungezügelte Expansionssucht einzelner Charter oder das respektlose Verhalten in der Angelegenheit Schoko-Schorsch. Ich musste mich schämen, ein deutscher Hells Angel zu sein! Nach einiger Zeit glätteten sich die Wogen, und die Freude über dieses riesige Fest überwog.
Während des World-Runs gab es eine große Rodeo-Show in der örtlichen Arena, bei der zwei Member aus Kalifornien teilnahmen. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen! Das Spektakel begann um zwanzig Uhr. Ich schob mir also die Harley unter den Hintern und fuhr hin. Als ich vor der Arena eintraf, fielen mir sofort die Hundertschaften an Cops auf. Doch davon ließ ich mich nicht mehr beeindrucken. Ich fuhr direkt vor den Eingang, schob den Seitenständer des Moppeds nach unten und stieg gekonnt ab. Die Eintrittskarte kostete fünfzehn Dollar. Ich holte mir noch einen Hot Dog und ein Bier und ging in die Arena.
Dort stand ein riesiger Büffel. Das Biest war so groß wie zwei bayerische Ochsen und stank so stark, dass mir fast die Luft wegblieb. Um das Tier herum waren maßgeschneiderte Gitter aus oberarmdicken Stahlrohren gebaut. Als ich das Tier weiter betrachtete, fiel mir sein riesiger Schwanz auf, der so lang war wie mein Arm und genauso dick. Darum herum schwirrten Dutzende dicker Fliegen, und zu allem Überfluss fing der Büffel dann auch noch an zu pinkeln – als würde ein dicker Feuerwehrschlauch aufgedreht. Unter dem Büffel bildete sich eine Pfütze, gelb mit Schaumkrone, darüber kreisten Fliegen. Viele Rodeo-Besucher ließ das völlig unbeeindruckt: Sie setzten ihre Kinder auf das Monster und machten Fotos.
Ich gesellte mich zu meinen Brüdern – wir waren etwa hundertfünfzig Hells Angels – auf der Tribüne. Die Stimmung war ausgelassen. Als die Show begann, nahmen dreihundert Cops auf der gegenüberliegenden Seite Platz. Alle Ein- und Ausgänge wurden bewacht. Der Stadionsprecher begrüßte erst uns, dann das Volk und zum Schluss die Cops. Er bedankte sich in unserem Namen und im Namen der Einwohner für die außerordentlich großzügigen Sicherheitsvorkehrungen der Staatsmacht und eröffnete die Rodeo-Show.
Zunächst sollten alle Kinder in die Arena kommen, wo lauter Schäfchen mit roten Schleifen am Hals losgelassen wurden. Die Kinder sollten sich die Schleifen schnappen. Dann kamen die Cowgirls an die Reihe: Sie galoppierten auf ihren Gäulen durchs Oval, führten einige Kunststücke vor und sprangen hoch und runter. Es sah recht spektakulär aus, wie die Girls so breitbeinig, wild und äußerst geschickt ihre Gäule zu Höchstleistungen antrieben – vielleicht eine Art Peep-Show des Wilden Westens. Jedenfalls waren Mädchen dabei, die ich nicht vom Gaul gestoßen hätte …
Bei den Männern sah es schon wesentlich schwieriger aus, wie sie versuchten, mit einem Pferd unterm Hintern und einem Lasso in der Hand ein Rind einzufangen. Die Hauptattraktion des Abends: Bull Riding. Zuerst kamen die einheimischen Jungs dran. Ein paar waren richtig gut auf dem dicken Bullen, eine ganze Menge fiel aber auch böse auf die Schnauze. Und dann kündigte der Stadionsprecher endlich unsere beiden Brüder an. Wir standen alle auf, um sie anzufeuern. Die Hupe zum Start hallte durch die Arena, das Gitter sprang auf, und der Bulle raste mit dem Member heraus. Nur Millisekunden später lag er schon unter dem Vieh. Der Bulle tobte im Oval, und unser kalifornischer Bruder lag wie tot auf dem Boden. Während Sanitäter ihn auf eine Trage legten, gingen einige andere Brüder und ich in die Vorhalle der Arena. Wir wollten wissen, was los war. Doch da lag er schon im Rettungswagen. Später stellte sich heraus, dass unser Bruder sich Arm und Schulter zertrümmert hatte.
Mein Ehrgeiz war geweckt. Diese Blamage konnten wir nicht auf uns sitzen lassen. Wir mussten es allen zeigen. Ich wollte selbst reiten und unsere Ehre verteidigen. Es begannen wilde Diskussionen. Meine Brüder redeten auf mich ein, auch die Schiedsrichter und der Veranstalter waren
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