Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
Toilette und urinierte an Ort und Stelle. Irgendwann reichte mir das: Ich wollte meinen Bruder und Freund nicht mehr so sehen. Ich besorgte ihm einen Platz in der Drogenthe rapie. Als ich ihm das abends auf unserer Clubsitzung erzählte, fing er an zu heulen und zu jammern. Bei der Therapie ist er leider nie aufgetaucht; ich musste ihn suspendieren. Meinen Versuch, ihm zu helfen, hat er mir sehr übelgenommen.
Einige Member meines Charters hatten also gute Gründe, sauer auf mich zu sein. Als ich im Urlaub am Meer war, fanden sie endlich eine Möglichkeit, mich loszuwerden. Vor meiner Abreise hatte sich nämlich folgende Geschichte ereignet, von der ich erst viel später erfahren sollte: Trick, ein guter Bekannter von mir, und Track, ein ehemaliger Prospect aus Kiel, lernten in Spanien einen Engländer kennen. Dieser bot den beiden an, für ihn Kokain von Holland nach England zu schmuggeln; mit einer Tour sollten sie etwa zehn Scheine verdienen. Mein Bekannter und Track nahmen diesen Job gerne an und fuhren zusammen mit ihren Frauen zwei oder drei Touren. Doch dann hintergingen sie den Engländer: Statt nach England fuhren sie mit dem Stoff von Holland aus nach Kassel, um ihn dort selbst zu verkaufen und den Gewinn einzustecken. Die dreißig Kilo Koks versteckten sie in einer Garage. Dann holten sie Spitzki ins Boot, der das Dope verkaufen helfen sollte. Da er das niemals allein auf die Reihe gekriegt hätte, weihte er einen Frankfurter Hells Angel ein. Die beiden verkauften nun nach und nach einen Teil des Kokains äußerst gewinnbringend.
Im Laufe der Zeit fiel jedoch auf, dass Spitzki und der Frankfurter plötzlich über sehr viel Geld verfügten, zumal beide normalerweise chronisch pleite waren. Während ich am Strand war und mit der schönen Melina poppte, zeigten sich die beiden unseren Brüdern gegenüber reuig. Sie mussten schließlich erklären, woher sie das ganze Geld hatten. Bei einem Meeting in Kassel legten sie fünfzehntausend Euro auf den Tisch.
Zuvor hatte sich Spitzki jedoch eine schöne, aber leider unwahre Geschichte einfallen lassen: Er erzählte den Membern, dass Track und ich uns Waffen besorgt und damit einen Russen überfallen hätten. Dabei hätten wir das Kokain erbeutet. Spitzki sollte das Dope anschließend für mich verkaufen, und weil er das nicht allein machen wollte, weihte er den Frankfurter ein. Nun aber hätten die beiden ein schlechtes Gewissen bekommen und wollten den Verkaufsgewinn abgeben.
Eigentlich war das keine schlechte Story, doch sie war leider erstunken und erlogen. Spitzki hatte später ein Verfahren wegen der Dealerei an der Backe, bei dem die Wahrheit ans Licht kam. Für mich war es da aber schon zu spät …
Fakt ist: Wer seine Brüder betrügt, ist out – und das völlig zu Recht. Aber nicht die beiden, sondern ich hatte laut deren Geschichte betrogen. Das kam den meisten ziemlich recht. Sie wussten, dass ich mich nicht mehr würde rechtfertigen können, wenn ich erst einmal out wäre. Deshalb stimmten sie noch in meiner Abwesenheit ab. Sie trauten sich nicht, mich von Angesicht zu Angesicht mit den angeblichen Vorwürfen zu konfrontieren. Stattdessen schrieben sie Mails an alle Hells-Angels-Charter weltweit: »Betreff: Bad Boy Uli ist out«. Eine Begründung dafür mussten sie nicht liefern, und es durfte auch niemand nachfragen. Denn bei solchen Entscheidungen agiert jedes Charter völlig unabhängig von den anderen. In meiner Abwesenheit machten sie mein Out wasserdicht.
Als ich aus meinem Urlaub zurückkehrte, nutzten meine ehemaligen Brüder meine Arglosigkeit aus und überfielen mich in meiner Wohnung. Sie nahmen mir meine Clubsachen ab, sogar den Schlüssel für das Mopped. Dann riefen sie meine Schwester an und drohten ihr mit dem Tod, falls sie nicht den Fahrzeugbrief für die Harley bekämen.
Wurde ein Member aus dem Club geworfen, hieß das, dass er out war. Für jeden aus der Szene war klar: Der hat sich etwas zuschulden kommen lassen. Sofort nach dem Rauswurf musste er seine Tattoos entfernen lassen – entweder schwärzen oder übertätowieren. Sie durften auf keinen Fall mehr erkennbar sein. Macht er das nicht freiwillig, wird er überfallen. Zu meiner Zeit wurden diese Ex-Member oft in einen Bus geschleppt, damit alle Club-Tattoos schwarz übertätowiert werden konnten.
Bei Out gab es noch eine weitere Abstufung: »Out in bad standing«. Das bedeutet vogelfrei, auch für andere Clubs. Das waren die Leute, die dem Club geschadet hatten. Laut
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