Höllenschlund
Carina.
»Richtig. Sie zeugten einen Jungen, den sie Menelik nannten. Salomon schenkte Saba die Priesterin, die zu ihrer Zofe wurde. Ihr blieb kaum eine andere Wahl, als zu gehorchen. Die Jungen wurden gemeinsam aufgezogen, aber Menelik blieb der Lieblingssohn. Als die Kinder zu Jugendlichen herangewachsen waren, überredete Melqart seinen Bruder auf Bitten seiner Mutter, einen kostbaren Gegenstand aus dem Tempel zu stehlen. Menelik gab das Gestohlene zwar irgendwann zurück, und der Vater verzieh den beiden Jungen auch, doch er verpflichtete sie zum Dienst in der phönizischen Flotte unter seinem Freund Hiram.«
»Was war das für ein kostbarer Gegenstand?«
»Die Bundeslade. Oder vielmehr das Original der Zehn Gebote, das in der Lade aufbewahrt wurde.«
»Die Tontafeln, die Moses vom Berg herunterbrachte?«
»Nein. Diese bestanden aus Gold. In der Bibel werden sie als Goldenes Kalb bezeichnet. Es heißt zwar, dass Moses sie zerstören ließ, aber das ist in Wahrheit gar nicht geschehen.«
»Warum hätte er das tun sollen?«
»Die Tafeln wurden zu einer Zeit geschrieben, als die alten Religionen starken Veränderungen unterworfen waren. Die Menschen hätten den Tafeln zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, sodass Moses sie nicht mehr in die religiöse Richtung hätte bewegen können, die er predigte.«
»Was ist dann mit diesen Tafeln geschehen?«
»Sie wurden bis zu Salomons Zeiten versteckt. Der König betrachtete sie als Quelle möglichen Unheils, wagte es aber nicht, so heilige Objekte zu vernichten. Er machte sich Sorgen, dass die Tafeln vielleicht erneut gestohlen werden konnten. Also beauftragte er Menelik, die Zehn Gebote nach Ophir zu schaffen und sie dort zu verstecken. Die Priesterin schickte Melqart hinterher, damit er die goldenen Tafeln zurückholte. Es kam zum Kampf zwischen den Halbbrüdern.
Menelik tötete Melqart, übernahm sein Schiff und kehrte nach Hause zurück, wo er seinem Vater von der Schlacht berichtete. Salomon verbannte Melqarts Mutter, die er in Verdacht hatte, das Volk aufwiegeln und die alte heidnische Religion wiederbeleben zu wollen.«
»Und welche Rolle spielt der
Navigator
in dieser Geschichte?«
»Die Priesterin erfuhr von ihren Kundschaftern, dass Salomon zwei Bronzestatuen von Menelik in Auftrag gegeben hatte. Sie sollten mit Gravuren versehen werden, die den Weg nach Ophir und zu den Tafeln beschreiben. Eine genauere Landkarte, die auf Pergament gezeichnet war, ging während des Bruderkampfes verloren.«
»Warum
zwei
Statuen?«
»Salomon war nicht nur weise, sondern auch vorsichtig. Er ließ sie am Tor zu seinem Tempel aufstellen. Er hat sie ganz offen versteckt.«
»Und die Priesterin?«
»Im Exil kochte sie vor Wut über den Tod ihres einzigen Sohnes – durch die Hand von Menelik, Sabas Sprössling. Sie fand, dass sie selbst die Frau von Salomon sein sollte und dass die Zehn Gebote sowie die Macht, die ihnen innewohnte, ihr rechtmäßiger Besitz seien. Sie beauftragte Melqarts Sohn damit, den Schatz zurückzuholen und sich an den Nachkommen von Salomon und Saba zu rächen. Er scheiterte, gab diese Anweisungen aber an die nächste Generation weiter. Während die Jahre vergingen, sahen sie ihr Hauptziel darin, die Tafeln zu bergen, bevor irgendjemand von ihrer Existenz erfahren konnte. Ein System von Wächtern wurde weltweit eingerichtet, um die Enthüllung des Geheimnisses zu verhindern.«
»Und welche Rolle spielen Sie in dieser langen Geschichte?«
»Mein Vater hat den Auftrag an mich weitergegeben. Als Letzter der Baltazars liegt es nun in meiner Verantwortung, das Versprechen zu erfüllen, das vor Jahrhunderten gegeben wurde.«
»
Das
ist es also. Sie wollen im Namen dieser Priesterin, deren Knochen längst zu Staub zerfallen sind, Rache üben. Sie glauben, dass ich von Saba abstamme, und deshalb wollen Sie mich umbringen.«
»Im Gegenteil. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Ich möchte die Linie der Baltazars weiterführen. Und die beste Möglichkeit, dies zu tun, sehe ich in der Verschmelzung unserer beiden Linien.«
Ein schockierter Ausdruck trat in Carinas blaue Augen.
»Das kann nicht Ihr Ernst sein! Glauben Sie wirklich, dass ich …?«
»Ich rede nicht von einer Liebesbeziehung«, sagte Baltazar.
»Betrachten Sie es als Geschäftsvorschlag.«
»Und dann werden Sie das Geschäft zu Ende bringen, indem Sie mich töten, nachdem ich Ihren sogenannten Erben zur Welt gebracht habe.«
»Das hängt ganz von Ihnen ab.«
»Dann töten Sie
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