Höllenschlund
stabilisiert, drehte sich aber noch immer um sich selbst.
Beinahe hätte er losgelassen, als seine Hand über den Stahlrumpf schrammte. Seine Fingerknöchel fühlten sich an, als hätte man sie in Säure getaucht. Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Schmerz zu ignorieren und weiterzuklettern.
Er legte den Kopf zurück, um zu sehen, wie weit er noch vom Fallreep entfernt war, das am Rumpf lag. Was er sah, gab ihm neuen Mut. Er hatte die Hälfte der Strickleiter schon geschafft. Nur noch ein paar Sprossen, und er würde die schmale Plattform am Fuß der Metallstufen erreichen.
Er griff nach der nächsten Strebe, zog sich hoch und blickte wieder nach oben. Jemand schaute zwischen zwei dünnen Stahlpfosten hindurch, die vertikal vom Deck hinabführten und von jemandem, der das Fallreep hinaufstieg, als Haltegriffe benutzt werden konnten. Vom Wind zerzauste Haare umrahmten ein dunkelhäutiges Männergesicht. Sein zahnlückiger Mund war zu einem breiten Grinsen verzogen.
Das Gesicht verschwand wieder, und ein Arm streckte sich über die Bordwand. Die Hand umklammerte ein Messer, dessen lange Klinge die Strickleiter durchsägte.
»He!«, rief Austin, dem nichts Besseres einfiel.
Das Messer zögerte einen Moment, machte sich aber gleich wieder an die Arbeit und durchtrennte das eine Seil der Strickleiter, die ein Stück herabsackte. Austin wurde gegen den Rumpf geschleudert. Der Schlag riss beinahe seine Hände von der Sprosse. Doch er klammerte sich fest und blickte wieder hinauf. »Ah, verflucht«, knurrte er. Das Messer machte sich bereits am zweiten Seil zu schaffen.
Er streckte sich nach einem Rettungsseil aus, das sich gelöst hatte, drehte sich im Wind und griff in dem Augenblick mit beiden Händen danach, als das Messer das zweite Seil gerade ganz durchschnitt. Die Strickleiter fiel ins schäumende Meer und war augenblicklich verschwunden.
Austins Kopf knallte wie ein Glockenklöppel gegen das Schiff. Er sah Sterne umherwirbeln. Wahrscheinlich hätte er das Bewusstsein verloren, wäre ihm nicht klar gewesen, dass ein einziger Schnitt der Messerklinge ihn in den Tod schicken konnte. Er streckte sich, bekam die unterste Stufe des Fallreeps zu packen und zog sich unter die Plattform, wo er hoffte, für den grinsenden Kerl mit dem Messer unsichtbar zu sein.
Dort blieb er für ein paar Augenblicke. Als er sich nicht länger festhalten konnte, zog er sich auf die Plattform und kletterte auf Händen und Knien die Stufen hinauf, bis er die Öffnung in der Decksreling erreichte. Beim Sprung auf das Deck strauchelte er beinahe und war froh, dass ihm niemand auflauerte.
Austin winkte zu Zavala hinüber, der das Schlauchboot parallel zum Containerschiff auf Kurs hielt. Zavala winkte zurück.
Die besorgte Stimme des Kapitäns kam knisternd über das Walkie-Talkie. »Alles klar, Kurt?«
Austin fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht, aber er sagte: »Bestens, Käpt’n. Ich bin auf dem Schiff. Wie viel Zeit hab ich noch?«
»Sie sind noch ungefähr fünf Seemeilen von der Bohrinsel entfernt. Sie müssen die Trägheit des Schiffes berücksichtigen, um es zu stoppen oder beizudrehen.«
Austin rannte in Richtung Heckaufbau, aber ein schreckliches Geräusch ließ ihn innehalten. Zwischen den Containern ertönte der Schrei einer Frau, und es gab keinen Zweifel an der Angst in ihrer Stimme.
12
Nur Minuten, bevor Austin auf das Schiff geklettert war, hatte Carina das Bewusstsein wiedererlangt. Die Rückkehr ins Reich der Lebenden war mit Schmerzen verbunden. Ihr Schädel pochte heftig. Ihr Blick war verschwommen, und sie musste gegen Brechreiz ankämpfen.
Schmerz und Übelkeit bewahrten sie davor, wieder in Ohnmacht zu fallen, und sie stellte fest, dass sie sich noch immer im Container befand. Ihre Arme waren straff auf dem Rücken gefesselt. In der Eile hatten die Piraten jedoch ihre Füße vergessen.
In einer Kombination aus schierer Willenskraft und einem schlanken Körper, den sie in vielen Stunden Training im Fitnesscenter der UNESCO gestählt hatte, gelang es Carina, sich auf den Bauch zu rollen. Sie spannte die festen Bauchmuskeln bis zum Maximum an und schaffte es so, sich hinzuknien. Sie stellte sich auf wacklige Beine und wartete, bis das Schwindelgefühl nachließ. Dann drehte sie sich mit dem Rücken zu einer Kiste und rieb das Klebeband um die Handgelenke an der Kante auf und ab.
Splitter bohrten sich in die Haut, doch sie ignorierte den Schmerz. Nach ein paar Minuten selbst auferlegter Folter
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