Höllenschlund
einem interessierten Lächeln. »Ich wäre unhöflich und obendrein dumm, wenn ich die einfache Bitte einer so bezaubernden Frau ausschlagen würde, Miss …«
»Sehr freundlich von Ihnen. Mein Name ist Carina Mechadi.«
Ein nachdenklicher Ausdruck trat auf Baltazars Gesicht.
»Miss Mechadi! Was für eine Überraschung. Bei allem, was ich von Ihrer Hartnäckigkeit gehört habe, hatte ich mir eine kleine, gedrungene Frau in mittleren Jahren vorgestellt, vielleicht mit einem Schnurrbart.« Er fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe.
»Tut mir leid, Sie da enttäuschen zu müssen«, sagte Carina.
»Enttäuschend ist nur, dass ich schon gehen muss. Doch womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich wollte Ihnen und Ihrer Stiftung einfach nur für die Unterstützung meiner Arbeit danken.«
»Gern geschehen. Ich bedaure es, dass wir uns nicht schon früher getroffen und nur durch Vermittler miteinander kommuniziert haben. Meine Geschäfte und die Wohltätigkeitsarbeit sind sehr zeitraubend.«
»Das verstehe ich gut.«
»Dann bin ich froh. Sie scheinen eine gute Spürnase zu haben. Waren Sie bei der Polizei?«
»Ich war ursprünglich Journalistin. Ich habe über ein paar wichtige italienische Kunstdiebstähle berichtet, die mich in europäische und amerikanische Museen geführt haben. Je mehr ich darüber herausfand, wie akademische Einrichtungen und Museen in den illegalen Handel verstrickt waren, desto wütender wurde ich. Schließlich bemühte ich mich darum, gestohlene Objekte zu finden, statt nur darüber zu schreiben.«
»Ich habe schon gehört, dass Ihre Arbeit nicht ungefährlich ist. Benoir hat mir von der Kaperung und dem versuchten Kunstraub berichtet. Wirklich unglaublich! Es ist ein Wunder, dass Sie nicht verletzt wurden.«
Sie nickte. »Wenn Kurt Austin nicht gewesen wäre, würde ich nicht hier mit Ihnen sprechen.«
»Der Name sagt mir nichts.«
»Mr. Austin arbeitet für die
National Underwater and Marine Agency
. Er steht nicht gern im Rampenlicht, aber er hat mein Leben, das Schiff und dazu noch die lang vermissten irakischen Kunstschätze gerettet. Einer der Entführer hatte auf ihn geschossen. Zum Glück wurde er nur verwundet.«
»Dieser Austin scheint ein bemerkenswerter Mann zu sein«, sagte Baltazar. »Wie kam es, dass er auf dem Schiff war?«
»Purer Zufall. Er fuhr eigentlich auf einem ganz anderen Schiff, das gerade in der Nähe war, als es einen Notruf empfing.«
»Bemerkenswert. Ich würde ihn gerne einmal treffen, um mich zu bedanken.«
»Das könnte ich arrangieren.«
»Ich bin erstaunt, dass Sie so viele irakische Kunstschätze wiederbeschaffen konnten. Wie haben Sie das gemacht?«
Carina dachte an die zahllosen Informanten, die sie angeworben hatte, an die Bestechungsgelder, die sie großzügig verteilt hatte, und an die immer wieder zögernden Regierungsmitarbeiter, die sie gnadenlos umschmeichelt hatte, bis sie schließlich nachgaben, nur um sie endlich loszuwerden.
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Ein Großteil meines Erfolges hat mit meiner Herkunft zu tun. Ich habe Wurzeln in Europa und in Afrika, was es mir erleichtert hat, auf beiden Kontinenten Kontakte zu knüpfen.«
»Afrika, sagen Sie? Ihr Vater war Italiener, wenn ich das richtig sehe.«
Sie nickte. »Mein Großvater auch. Er gehörte zu Mussolinis Armee, als sie in Äthiopien einmarschierte. Dort ist er meiner Großmutter begegnet. Meine Mutter hat ihn nie kennengelernt, sie wusste nur, dass er Italiener war. Als sie dann nach Italien ging, wo ich geboren wurde, hat sie ihrem Mädchennamen Mekada einen italienischen Anstrich gegeben.«
»Mekada? Ein schöner Namen.«
»Danke. Er soll in Äthiopien recht häufig sein.«
Baltazar dachte einen Augenblick nach, bevor er weitersprach. »Sagen Sie, Miss Mechadi, was haben Sie als Nächstes vor?«
»Ich bin mit der Organisation der Tournee beschäftigt.
Die Kunstschätze sind im Smithsonian gut bewacht. Ich kümmere mich um die Herkunftsdaten und Hintergrundinformationen der einzelnen Objekte. Ich habe ein paar Treffen mit Leuten vereinbart, die mir ihre Hilfe anboten. Morgen fliege ich nach Virginia, um Jon Benson, einen Fotografen vom
National Geographic
zu treffen, der bei der Ausgrabung einer Statue mit dem Namen
Navigator
dabei war. Vielleicht möchten Sie vorbeikommen und sich die Statue und die anderen Stücke mal anschauen.«
»Das ist eine wunderbare Idee. Ich kenne mich mit Archäologie nicht so gut aus,
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