Höllenstadt
das Fenster in den Vorgarten. Der Wächter lehnte am Zaun. Er hatte seine Baseball-Mütze tief in die Stirn gezogen, um die Augen vor der tiefstehenden Sonne zu schützen.
Der Kaffee lief durch. Muriel Cameron lauschte den Geräuschen. Ein leichtes Hungergefühl stellte sich ein. Ihr Mann würde bald anrufen, zumindest hatte er es versprochen, aber er hatte keine genaue Zeit nennen können.
Selten hatte sich die Frau so unruhig gefühlt wie an diesem Tag. Sie ging dank ihres Zustands einfach davon aus, daß etwas passieren würde. Es gab keine äußeren Anzeichen, aber ihre Ahnungen wiesen darauf hin. Wahrscheinlich stand sie damit nicht allein, denn auch der FBI-Agent und sein Kollege hatten sehr besorgt ausgesehen.
Während sie ihren Kaffee trank, dachte sie über den neuen Mann nach. Auf sie hatte er einen sicheren und entschlossenen Eindruck gemacht. Er war jemand, der sich nichts vormachen ließ, das hatte sie einfach im Gefühl, und ihr Gefühl wiederum hatte sie selten getrogen.
Im Schrank fand sie noch eine angebrochene Schachtel mit Keksen. Sie stillten ihren Hunger, aber mehr würde sie nicht zu sich nehmen können. Es war einfach nicht die Zeit, um ans Essen zu denken. Andere Dinge hatten Vorrang.
Schon zweimal war ein Streifenwagen am Haus vorbeigefahren. Ihre beiden Kollegen hatten jeweils kurz angehalten und mit dem Aufpasser gesprochen. Irgendwie hatte Muriel dies beruhigt. Hier hielten alle zusammen, um dem Bösen zu trotzen und Benson City wieder zu einer lebenswerten Stadt zu machen.
Nachdem Muriel die Tasse zweimal geleert und die Kekse gegessen hatte, trieb sie es wieder in Sandras Zimmer. Die Tür hatte sie nicht geschlossen, aber vor dem Fenster hing das Lamellen-Rollo. Das ließ nur wenig Licht durch.
Sandra war eingeschlafen. Sie lag direkt unter den bunten Tieren, die von der Decke herabhingen und sie mit ihren bunten Gesichtern anlächelten.
Sandra war ihr ein und alles. Wenn sie daran dachte, daß irgendwelche Wesen ihr die Kleine wegnehmen könnten, stieg der Haß auf diese Unbekannten plötzlich wie eine gewaltige Flamme in die Höhe. Es war noch nicht vorbei, daran glaubte sie fest. Es würde alles wieder von vorn beginnen. Der schleichende Horror, die plötzliche Tat und die Menschen, die fassungslos davorstanden.
Eine lange Nacht lag vor ihr. Eine Nacht der Entscheidung. Jeder im Ort wußte, wie diese Wesen aussahen, aber nur Martha Caine hatte sie gesehen, und ihre Beschreibung hatte sich natürlich herumgesprochen, so daß jeder Bescheid wußte.
Muriel verließ das Zimmer. Im Flur blieb sie stehen und dachte darüber nach, wie sie die nächsten Stunden verbringen sollte. Okay, sie würde warten müssen, aber es kam darauf an, wie sie die Wartezeit verbrachte und sich ablenkte.
Durch Lesen oder Fernsehen. Beides war nicht günstig und würde ihre Angst kaum vertreiben können. Muriel ging es nicht um ihre eigene Person, nein, es war die Tochter, auf die es ankam. Alles andere konnte sie vergessen.
Den anderen Müttern im Ort, die kleine Kinder hatten, würde es ähnlich ergehen, da stand sie nicht allein. Allerdings wollte sie sich auch nicht mit ihnen zusammensetzen, sondern am Bett ihrer Tochter Wache halten.
Muriel hatte noch keine Entscheidung getroffen, als sie das Geräusch der Türglocke aufschreckte.
Sie zuckte nicht nur zusammen, ihre Hand fuhr sofort zum Revolver. Es war ein Reflex, über den sie den Kopf schüttelte. Ihre Feinde würden, wenn sie hier erschienen, sicherlich nicht klingeln. Das hier war ein völlig normaler Besuch.
Sie ging zur Tür, schaute aber zuvor durch den Spion und konnte aufatmen. Vor der Tür standen der G-man Abe Douglas und sein Kollege John Sinclair.
Muriel öffnete. »Kommen Sie bitte rein…«
***
Abe Douglas und ich hatten eine Runde durch den Ort gedreht. So hatte ich mir einen weiteren Eindruck von Benson City verschaffen können und war nicht gerade begeistert. Hierher verirrte sich kaum ein Tourist. Die kleine Stadt war ein staubiger Ort, der unter der Hitze litt und nur dort ergrünte, wo künstlich bewässert wurde.
Hochhäuser gab es hier nicht. Viele der bis zu zweigeschossigen Häuser waren noch aus Holz gebaut, ein großer Teil in Fertigbauweise. Die Main Street, die schmalen Straßen und Gassen rechts und links, ein paar Shops, Kneipen, Drugstores, zwei Friseure und zahlreiche Veranden, die Schatten spendeten.
Die meisten Bewohner lebten in den schmaleren Nebenstraßen. Hier standen ihre Häuser hinter den
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