Höllenstadt
und drückte die Wagentür wieder zu. »Was ist denn los?«
»Siehst du unseren Aufpasser?«
Abe schaute sich um. »Nein«, flüsterte er, und seine Stimme klang dabei erstaunt. »Jetzt, wo du es sagst, sehe ich es auch. Er ist tatsächlich nicht mehr hier. Vielleicht hinter dem Haus.«
»Dann hätte ich ihn sehen müssen, als ich einen Blick durch das Fenster warf.«
Abe argumentierte dagegen. »Er kann ja in der Zeit gegangen sein, als wir auf dem Weg zur Tür waren.«
»Ist möglich. Aber nachsehen möchte ich schon.« Die Unruhe in mir wollte einfach nicht verschwinden.
»Okay, gehen wir.«
***
Der Wächter hieß Linus Achton. Er hatte sich zwar gemeldet, er war auch engagiert gewesen, aber in der Hitze zu stehen, trotz seiner Kappe, das war nicht sein Fall. Zumindest nicht über eine so lange Zeit. In der kühleren Dunkelheit würde es anders aussehen. Solange allerdings die Sonne noch schien, war das Wacheschieben eine einzige Quälerei, und die wollte er sich nicht antun.
Der Streifenwagen hatte ihn bereits passiert. Er war also auf seinem Posten gesehen worden, und wenig später waren dann die beiden Männer erschienen und zu Muriel Cameron gegangen.
Linus wollte nicht behaupten, daß er sich überflüssig fühlte, aber er tendierte schon zu einem Ortswechsel, damit er in den Schatten kam. Und den spendete die Hauswand. Einige Sträucher, in die bunte Blumen hineingewachsen waren, sorgten für eine farbige Vielfalt. Zudem lag vor der Hauswand ein zusammengerollter Schlauch. So hoch, daß er als Sitzplatz dienen konnte. Vom langen Stehen waren Linus die Beine schon müde geworden.
Die beiden Besucher waren kaum im Haus verschwunden, als er seinen Vorsatz in die Tat umsetzte. Den Platz fand er auf dem Schlauchberg, und er streckte die Beine aus, um das Gewehr über seine Knie legen zu können. Er drapierte die Hände darauf und hatte sich die Hauswand als Rückenstütze ausgesucht.
Er stöhnte auf. Schob die Mütze höher. Hier war es besser. Keine pralle Sonne. Hin und wieder wehte sogar ein Luftzug. Es ließ sich gerade so aushalten.
Durch den Platz hatte er sich das eigene Sichtfeld selbst eingeengt. Er schaute gegen die Sträucher und nahm den Duft der Sommerblumen wahr. Er hörte das Summen der Insekten, hin und wieder das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos, und das alles machte ihn noch schläfriger.
So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Augen schwer wurden und ihm zufielen.
Linus Achton wurde nicht von einem schlechten Gewissen geplagt. Er schlief ein, und sein Körper entspannte sich dabei. Auch der Griff um die Waffe lockerte sich. Jeder hätte sie ihm jetzt abnehmen können.
Schlafen, erholen, wenn auch nur kurz. Für Linus war es wichtig. Das tat er nicht zum erstenmal, aber er merkte nicht, wie sehr er in Gefahr geriet.
Jemand hatte ihn genau unter Kontrolle gehalten. Versteckt im Gebüsch. Klein, kompakt, mit funkelnden Augen und einem breiten, bösen Maul, aus dem hin und wieder ein zischender Atemzug floß.
Der Kobold lauerte. Er hatte es nicht eilig. Er wartete so lange ab, bis der Wächter nichts mehr von seiner Umgebung wahrnahm. Dann erst schälte er sich aus seiner Deckung hervor.
Die Blätter des Buschs raschelten kaum. Die Blumen bewegten sich wippend, als wollten sie die scharfen Atemzüge des anderen dirigieren. Ein häßliches, krötenähnliches Etwas kroch auf den Schlafenden zu.
Kompakter Körper, ein breites Maul. Glotzaugen. Die hohe Stirn, die übergroßen Ohren, lange Arme, kurze Beine. Und natürlich die ölige und verschwitzt aussehende Haut.
Der Kobold bewegte mit einer schon überraschenden Schnelligkeit den Kopf. Die Blicke huschten nach rechts und links, um festzustellen, ob die Luft rein war.
Sie war es.
Der Troll bewegte sich schneller. Er schlich auf sein Opfer zu, das schlafend auf der Gartenschlauchrolle hockte und nichts mitbekam. Nicht weit von ihm entfernt führte eine Außentreppe zum Keller des Hauses hinab. Die Camerons gehörten zu den wenigen Familien, die beim Bau des Hauses auch an einen Keller gedacht hatten. Die meisten anderen hatten darauf verzichtet und ihn sich wohl auch nicht leisten können.
Dicht vor der leicht gekippten, an der Mauer lehnenden und schlafenden Gestalt blieb er stehen. Er suchte das Gesicht des Menschen ab. Gier funkelte in seinen Augen. Er sah sich auf der Siegerstraße und ging diesen Weg auch weiter.
Der Troll wollte das Gewehr!
Normalerweise verließ er sich auf seine starken Hände. Hier aber kam
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