Höllenstadt
eines Kindes, wohl von einer Kugel gerissen.
Einen jedenfalls hatte Abe zur Hölle geschickt. Nur brachte es mich in diesem Fall nicht weiter. Die Personen, auf die es mir ankam, waren verschwunden, wie von der Nacht gefressen.
Als ich mich neben dem Wagen wieder aufrichtete, stand der alte Hank da. Er nickte traurig. »Ich habe es befürchtet, und meine Befürchtungen haben sich bewahrheitet«, sagte er leise. »Sie sind da. Es ist bald soweit. Dann werden sie noch ein Kind haben.«
Ich schwieg. Er hatte recht, und was sollte ich, zum Teufel, dazu noch sagen?
»Weit sind sie nicht«, murmelte Hank.
»Bitte?«
Er wiederholte den Satz.
Das wiederum machte mich munter. »Woher wissen Sie das, Hank?«
»Ich spüre es. Es ist die beste Umgebung, die sie sich hätten aussuchen können. Die Finsternis ist so dicht, wie die Trolle sie eben lieben.«
Ich nickte entschlossen. »Okay, Hank, wenn sie tatsächlich hier in der Nähe sind, dann müßten wir sie finden.«
»Ja.«
»Und wohin sollen wir uns wenden?«
Hank überlegte. Seine Ruhe machte mich schon kribbelig, und ich mußte mich beherrschen, um ihn nicht mit Fragen zu überfallen. Schließlich sagte er: »Kommen Sie mit, John.« Dabei deutete er auf den mächtigen Wassertank.
Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. Dort stand der gewaltige Tank, aber mehr war nicht zu sehen. Es gab keine Bewegung, und diese Stützpfosten ragten wie die Beine irgendwelcher vorsintflutlicher und erstarrter Ungeheuer in die Höhe. Sie hielten den Tank, sie hatten ihn schon seit Jahrzehnten gehalten und ihn viele Unwetter überstehen lassen.
Der alte Hank lachte kratzig. »Glauben Sie mir etwa nicht, John?«
»Doch, aber es fällt mir schwer.«
»Der Tank ist leer.«
»Das habe ich mir gedacht«, erwiderte ich nachdenklich. »Muß er deshalb auch das Versteck der Trolle sein?«
»Ich weiß es auch nicht genau, John, aber die Indizien weisen darauf hin. Der Überfall hat hier stattgefunden. Und man kann auch in den Tank hineinklettern.«
»Sie reden, als wären Sie sich sicher, Hank.«
Er murmelte etwas, das ich nicht verstand. »Was ich dazu sagen soll, weiß ich auch nicht. Aber ich lebe schon sehr lange hier in Benson City. Ich bin alt geworden. Ich habe Zeit, verstehen Sie? Ich halte trotzdem Augen und Ohren offen. So kriege ich viel mit.« Er schnüffelte, als könnte er die Trolle riechen. »Wir wollen doch nicht zu lange warten, oder?«
»Auf keinen Fall.«
Hank nahm meine Antwort als Zustimmung an und ging los. Ich wartete noch einen Moment in der Stille ab. So ganz kam ich damit nicht zurecht. Auch deshalb wohl, weil es mir schwerfiel, mich von den alten Vorstellungen zu lösen. Bisher war ich stets davon ausgegangen, Trolle in dichten Wäldern oder Höhlen zufinden. Das allerdings sah jetzt anders aus.
Es waren nur wenige Schritte, bis auch ich den Bereich unter dem Tankboden erreicht hatte. Hier kam mir die Luft noch dichter und schwerer vor. Sie schien mit einem Unheil geladen zu sein. Sie war einfach anders als in der Umgebung. Ich legte den Kopf zurück und schaute in die Höhe.
Der Tankboden war glatt. Eine schwarze Fläche, an der sich nichts bewegte und deren Entfernung zu mir in der Dunkelheit nur schwer einzuschätzen war.
Da ich nicht weit von einem der Träger stehengeblieben war, fiel mir auch die alte Leiter auf, die an der Innenseite in die Höhe führte. Was sich an ihrem Ende befand, ob es da einen Einstieg in das riesige Gefäß gab, war nicht zu erkennen.
Ich wollte schon meine Lampe zu Hilfe nehmen, als ich Hank sprechen hörte. »Sie sollten herkommen, John.«
Etwas in seiner Stimme hatte mich gewarnt. Deshalb ging ich schneller, als ich eigentlich beabsichtigt hatte – und blieb sofort stehen, denn auf dem Boden lag eine Gestalt.
Es war Abe Douglas. Er rührte sich nicht. Er lag da wie tot, und mir schoß das Blut ins Gesicht.
»Das ist doch Ihr Kollege, oder?«
Ich nickte nur.
»Er ist nicht tot, John.«
Ich hatte mich schon hingekniet, da ich mich selbst überzeugen wollte. Es stimmte. Abe war nur bewußtlos und zudem noch angeschlagen, denn sein Gesicht war zerkratzt. Die dunklen Streifen waren eingetrocknetes Blut. Es war bis zum Kinn geflossen. Fliegen waren von dem Geruch angelockt worden und umtanzten die Gestalt.
»Was ist mit Muriel?« fragte ich.
»Kommen Sie mit.« Es knirschte leise, als der alte Hank zur Seite ging. Ich folgte ihm und blieb nach ein paar Schritten wieder stehen, denn Muriel Cameron lag
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