Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
wer sind Sie?«
Ich blickte mich um. Young Guys Gesicht befand sich höchstens 30 Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Er war vom erhöhten Sitzplatz im Cockpit in den Gang zwischen den Sitzreihen gefallen. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er kämpfte um Atem.
»Hu-hu-huuuuhh.« Ich sah, dass er im Sterben lag. Er stöhnte auf; mir war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde.
Dann tauchte neben mir eine schemenhafte Gestalt auf, schwarz gekleidet. Das war alles, was ich wahrnahm. Die SEALs erzählten mir später, dass sie einen gedämpften Aufschrei gehört hätten, nachdem sie auf die Piraten geschossen hatten. Sie hatten angenommen, dass sich einer der Piraten an mir rächen wollte. Deshalb seilte sich sofort ein SEAL am Schleppseil zum Bug ab und drang in das Rettungsboot ein.
Der SEAL checkte die Piraten. Alle waren jetzt tot.
»Wissen Sie, wie man hier rauskommt?«, schrie der SEAL.
Ich löste die restlichen Fesseln und stand auf. Ich musste über eine Seilbarriere steigen, die die Piraten zwischen den Sitzen geknüpft hatten. Meine Beine waren weich wie Butter, aber ich taumelte zur Lukentür und löste mit zitternden Fingern das Seil, mit dem die Piraten den Eingang gesichert hatten, damit er nicht von außen geöffnet werden konnte. Ich spürte, dass jemand auf der anderen Seite mit brachialer Gewalt versuchte, die Tür aufzureißen.
»Warten Sie! Ich muss erst das Seil lösen!«, schrie ich.
Endlich konnte ich die Leine lösen, und die Lukentür wurde aufgerissen. Ein bulliger SEAL stürmte herein und stieß mich ins Boot zurück. Sein Gesicht schwebte dicht über mir. Hinter ihm ragte der gewaltige Schatten der Bainbridge hoch über uns auf. Sie schien so nahe, dass ich glaubte, sie mit ausgestreckter Hand berühren zu können.
»Er ist verwundet, er ist verwundet!«, brüllte der SEAL. Mein Gesicht war vermutlich blutverschmiert von den Splittern, die die Kugeln aus den Wänden gerissen hatten.
»Nein, mir geht’s gut, alles in Ordnung«, sagte ich.
Ich taumelte zum Heck. Der Motor wurde gestoppt. Inzwischen befanden sich fünf SEALs im Boot, und alle zeigten mir den hochgereckten Daumen. Die ganze Operation hatte vermutlich kaum sechzig Sekunden gedauert.
Ein weiteres Boot röhrte heran. Die SEALs schrien ihren Kommandanten zu: »Er ist okay. Wir haben ihn!« Über Funk knisterte eine Stimme: »Ist er verwundet? Wiederhole: Ist er verwundet?« Einer der SEALs antwortete, »Könnte verwundet sein.«
»Mir geht’s gut«, rief ich.
Ich stieg in einen der Zodiacs, das sofort zur Bainbridge fuhr. Das gewaltige Schiff kam näher und näher und ich dachte, Mein Gott, es ist vorbei. Ich hab’s geschafft. Ich bin raus. Ich hab’s überlebt.
Am frühen Sonntagmorgen glaubte Andrea im Schlaf meine Stimme zu hören: »Ange, alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen, mir geht’s gut.« Sie wachte auf, ging ins Bad, dann legte sie sich wieder ins Bett.
»Andrea«, murmelte Amber von der anderen Bettseite, »ich glaube, ich hatte gerade eine Offenbarung.«
»Was für eine Offenbarung?«
»Ich glaube wirklich, dass mit Rich alles in Ordnung kommt.«
»Glaubst du das wirklich? Weil ich genau das nämlich auch gerade gespürt habe.«
Sie wusste, dass irgendetwas passieren würde. Es war Ostersonntag. Im Guten oder Schlechten, Andrea spürte, dass die Dinge auf den Höhepunkt zuliefen.
Amber schlief wieder ein, aber Andrea fand keinen Schlaf mehr. Sie dachte immer wieder, Genug geredet. Ich muss etwas unternehmen. Rich ist bestimmt totmüde und leidet unter der Hitze. Wie lange kann er das noch durchhalten? Sie wollte mir auf irgendeine Weise positive Energie schicken. Aber sie befand sich 7500 Meilen von mir entfernt – was konnte sie schon tun?
Dann kam ihr die Erleuchtung. Bei seinem Anruf am Donnerstag hatte sie der Bischof von Vermont recht liebenswürdig gefragt, ob er etwas für die Familie tun könne. Plötzlich schien es Andrea sehr wichtig, an diesem Ostermorgen wirklich etwas zu tun. Und jetzt wusste sie genau, was das sein würde.
Vor ein paar Jahren waren wir mit meiner Familie zu einer Messe draußen auf Cape Cod gefahren. Der Priester war gerade aus Afrika zurückgekommen, wo er als Missionar gearbeitet hatte. Und er sprach über seine Arbeit und wie viel sie ihm bedeutet habe, und dann hielt er eine Predigt, an die wir uns bis heute erinnern. Er sagte: »Gott ist gütig«, und die Gemeinde antwortete: »Zu aller Zeit.« Dann sagte er: »Zu aller Zeit«, und die Antwort
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