Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
manövrieren müssen.
Vielleicht war das eine Trockenübung für eine al-Qaida-Operation, für eine Art 11. September zur See.
Nachdem ich die Sicherheitsbulletins gelesen hatte, schrieb ich eine kurze E-Mail an Andrea. Wahrscheinlich fühlte ich mich ein bisschen einsam, denn ich leitete die Mail mit unserer Suche nach einem Ersatz für unsere liebe, leider verstorbene Frannie ein.
Hey, Ange,
gibt’s was Neues mit den Hunden? Erst letzte Nacht musste ich wieder an Frannie denken, mit Tränen im Herzen. Dieser verdammte Hund geht mir wirklich nahe! Ich brauche einen Hund!
Wir sind unterwegs nach Mombasa, wo wir um den 11. oder 12. April ankommen werden. Das Wetter ist sehr gut, bis der Monsun einsetzt. Die Piraten sind in letzter Zeit wieder aktiver geworden. Sie greifen jetzt sogar Kriegsschiffe an. Wahrscheinlich könen sie die Schiffe nicht richtig auseinander halten.
Alles Liebe, R.
Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte, aber ich konnte auch nicht so tun, als gäbe es die Somalis da draußen nicht. In dieser Hinsicht dachten wir gleich. Das war schon immer so gewesen. Bevor ich abfuhr, hatte ich ihr erzählt, dass die Situation mit den Piraten gefährlicher geworden sei. »Irgendwann werden sie auch ein amerikanisches Schiff kapern«, sagte ich.
»So blöd werden sie wohl nicht sein«, sagte Andrea. »Eins von unseren Schiffen würden sie niemals angreifen.«
Tief im Innern wusste sie natürlich, dass so etwas durchaus passieren konnte. Das gehört eben zum Leben als Frau eines Seemanns der Handelsmarine. Aber irgendwie rechnete sie fest damit, dass die amerikanische Flagge mich und die Crew schützen würde. Wer würde es schon wagen, die Stars and Stripes anzugreifen?
Andrea verlor keine Stunde Schlaf, nur weil sie mich dort draußen wusste. Vielleicht war es nichts anderes als Wunschdenken, aber es war ihr immer gelungen, diese Gedanken zu verdrängen. Und wir hatten auch immer Glück gehabt. Zwar hatten wir immer hart für alles arbeiten müssen, aber wir hielten uns auch für gesegnet. Und Andrea dachte wohl, dass das immer so bleiben würde.
Andreas Freunde staunten oft über sie. »Keine Ahnung, wie du damit fertig wirst, die Frau eines Seemanns zu sein.« Darauf gab sie immer die scherzhafte Antwort: »Machst du Witze? Mein Mann ist die halbe Zeit aus dem Haus, alle zwei Wochen kommt ein Scheck, wieso soll ich damit ein Problem haben?« So hatte sie immer die Lacher auf ihrer Seite. Aber es stimmt – die meisten Frauen von Seeleuten sind starke, selbständige Frauen, die auch mal eine Schaufel oder einen Hammer in die Hand nehmen oder mit der Taschenlampe nachsehen, wenn die Heizung ausfällt. Bevor ich zum nächsten Schiff abreiste, gab ich Andrea oft eine Liste, die sie »Honey-denk-dran-Liste« nannte: »Honey, denk an den Ölwechsel beim Auto, denk an die Steuerüberweisung, lass den Trockner reparieren, et cetera.« In den Anfangsjahren unserer Ehe musste sie auch wirklich stark sein, zu Hause, allein mit zwei Kleinkindern, mitten im Winter Vermonts. »Damals fühlte ich mich oft wie die Frau mit dem platten Reifen am Straßenrand«, erzählt sie gerne. »Entweder musste man lernen, allein zurecht zu kommen, oder man reichte die Scheidung ein und lebte danach wieder ein normales Leben.« Gottseidank hatten wir wunderbare Nachbarn und Familienangehörige, die immer da waren, wenn Andrea Hilfe brauchte. Wenn auf unserem Grundstück ein Baum umstürzte, kamen sofort die Nachbarn mit einer Kettensäge und einem Traktor.
Ihre Stärke liegt vielleicht schon in ihren Genen. Andreas Mutter hatte ihre Last zu tragen gehabt. Andrea war noch ein Teenager, als sich ihre Eltern scheiden ließen. Ihre Mutter musste plötzlich allein für sechs Kinder sorgen. Sie arbeitete in Vollzeit und kam am Abend in ein Haus mit sechs sehr lebhaften Kindern zurück. Andrea wusste, wie schwer das gewesen sein musste, denn ein Teil der Verantwortung für ihre Geschwister lag auf ihren Schultern. Sie entwickelte Effizienz und Einfallsreichtum – beim Kochen, Kleiderflicken, Hausputz. Wenn Tommy, ihr jüngerer Bruder, stürzte und sich das Knie aufschrammte, lief er zu ihr. Das wiederum verletzte ihre Mutter, aber später wurde ihr klar, dass sie mit Andrea eine sehr tüchtige Frau aufgezogen hatte. Deshalb hatte es Andrea viel bedeutet, als ihre Mutter sie einmal beiseite nahm und ihr sagte: »Um dich oder meine anderen Töchter muss ich mir keine Sorgen machen.« Das empfand ich auch so. Andrea wird mit
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