Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
hinter dem Horizont und außer Sichtweite war: das Mutterschiff. Ich checkte seine Vektoren – es folgte uns. Jede Bewegung, die wir machten, wurde von ihm beschattet.
Bis dahin hatte ich in meiner gesamten Laufbahn nur ein einziges Mal ein Piraten-Mutterschiff zu sehen bekommen. Aber jetzt hatte ich es mit einem vollständigen Piratenverband zu tun. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Ich funkte Shane an.
»Mögliche Annäherung von Piratenbooten, sieben Meilen, Backbord achteraus«, sagte ich.
»Sollen wir die Übung abbrechen?«, fragte er zurück.
Ich überlegte kurz. »Noch nicht. Ich wollte dich nur vorwarnen, dass wir sie möglicherweise bald abbrechen müssen.«
Ich war noch nicht überzeugt, dass wir von Piraten verfolgt wurden. Ihre normale Angriffszeit war kurz nach Sonnenaufgang (05.00 Uhr) oder kurz vor Sonnenuntergang (19.45 Uhr). Das sind ungefähr die Tageszeiten, an denen es im Golf von Aden dunstig wird und die Sichtweite von sieben auf ungefähr vier Meilen zurückgeht. Aber um 13.00 Uhr herrschte maximale Sichtweite. Wenn es ein Angriff auf unser Schiff war, hatten sich die Somalis einen seltsamen Zeitpunkt ausgesucht.
Sie holten dennoch schnell auf. Ich rief Shane an und ließ mir einen Vollmatrosen auf die Brücke schicken. Andy war ein erfahrener Seemann und hatte die besten Augen auf dem Schiff. Es war schon vorgekommen, dass er neben mir auf der Brücke stand und plötzlich verkündete: »Schiff nähert sich von Steuerbord.« Ich selbst sah das Schiff mit bloßem Auge nicht, wohl aber durch das Fernglas – 15 Meilen entfernt! Ich konnte kaum glauben, dass er es auf diese Entfernung ausgemacht hatte. Deshalb wollte ich ihn jetzt bei mir haben.
Ich schob den Hebel des EOT – des Maschinentelegrafen – auf höhere Geschwindigkeit; die Drehzahlen erhöhten sich; das Schiff beschleunigte. Ich erhöhte auf 122 Umdrehungen pro Minute.
Während ich den Hebel weiterschob, rief ich den Leitenden Ingenieur an. »Chief, bitte geh’ sofort in den Maschinenraum. Ich erhöhe die Geschwindigkeit.« Ich wollte höher beschleunigen, als ich es jemals auf diesem Schiff getan hatte, bis auf 124 UpM. Deshalb wollte ich, dass Mike den Maschinencomputer im Auge behielt und mich warnte, falls einer der Indikatoren – zum Beipiel Motorenlast, Kühlwassertemperaturen in den Zylinderköpfen und Auslassventilen – auf Rot ging. Auf keinen Fall wollte ich die Maschine beschädigen, während ich von bösen Jungs gejagt wurde. Wenn die Maschine überlastet zu werden drohte, konnte mich der Chief rechtzeitig warnen.
Ich rannte zum Satellitentelefon und rief UKMTO an. Eine Stimme mit britischem Akzent antwortete.
»Hier ist die Maersk Alabama , sagte ich und gab unsere Koordinatenposition, Kurs und Geschwindigkeit durch. »Wir haben eine Annäherung von drei Booten auf fünf bis sechs Meilen, möglicherweise mit einem Mutterschiff eine Meile weiter zurück. Potentielle Piratensituation.«
Die Stimme am anderen Ende klang nicht sonderlich beeindruckt. Wahrscheinlich bekamen sie viele Anrufe von Schiffen vor der somalischen Küste, die irgendwelche Fischerboote oder herumtreibende Ölfässer ausgemacht hatten.
»Da draußen sind viele nervöse Kapitäne unterwegs«, sagte er.
Ich gehöre nicht zu den nervösen Typen , hätte ich am liebsten geantwortet.
»Wahrscheinlich nur ein paar Fischer«, fuhr er fort. »Aber Sie sollten Ihre Crew zusammenrufen, die Feuerschläuche bereithalten und vielleicht auch alle Türen auf dem Schiff abschließen.«
Ich konnte nicht glauben, was ich da zu hören bekam. Erst wollte er mir weismachen, wir hätten es wahrscheinlich nur mit ein paar harmlosen Makrelenfischern zu tun, und jetzt gab er mir praktisch die Anweisung, auf maximale Einsatzbereitschaft zu gehen.
»Wenn wir hier nicht in der Bredouille stecken würden, hätte ich Sie bestimmt nicht angerufen«, gab ich ein wenig gereizt zurück. «Ich informiere Sie über die Situation.«
»Halten Sie uns auf dem Laufenden«, war die Antwort.
»Ganz bestimmt«, sagte ich und legte auf, bevor er antworten konnte.
Als Nächstes wählte ich die amerikanische Notrufnummer für Piratenüberfälle. Wenn man im Begriff steht, als Geisel genommen zu werden, sollte die Regierung Bescheid wissen. Ich starrte die Punkte auf dem Radarschirm an, die immer näher kamen. Das Telefon läutete immer noch.
Nach zehnmaligem Läuten knallte ich den Hörer auf die Gabel. Niemand zu Hause. Einfach unglaublich. Die Briten waren zwar
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