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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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in deine Gewalt, drohst alle umzubringen und bist dann beleidigt, dass dir jemand einen Kratzer an der Hand verpasst?
    »Na ja, Sie haben auf sie geschossen«, erwiderte ich. »Sie haben sie bedroht. Was haben Sie denn erwartet?«
    Nach und nach zeigte ich den Piraten, wo die Vorräte an Bord verstaut waren: der Erste-Hilfe-Kasten, Wasser, Überlebensausrüstung, Taschenlampen, Lebensmittel. Weil sie unbedingt wissen wollten, welche Vorräte wir an Bord hatten, fingen sie an, Plastiktüten aufzureißen und den Inhalt auszuschütten. Auf diese Weise ruinierten sie das ganze Zeug, das sie eigentlich verwenden wollten und das wir später noch hätten brauchen können. Während sie die Tüten zerrissen, fiel mir auf, dass der Anführer die verletzte Hand mit der anderen festhielt und immer wieder das Gesicht vor Schmerz verzog.
    »He«, sagte ich. »Haben Sie die Wunde gereinigt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Das sollten Sie aber. Wenn sich das entzündet, dann wird das ziemlich unangenehm.«
    Die Piraten machten den Erste-Hilfe-Kasten auf und fingen an, Flaschen und Päckchen herumzureichen. Offensichtlich gibt es in Somalia keine funktionierende medizinische Versorgung, denn sie betrachteten die Arzneimittel, als wären es Artefakte der Maya.
    »Was ist das? Was macht man damit?«
    Ich sagte: »Geben Sie mir das.« Musso stapelte alles wieder in den Kasten und brachte ihn zu mir. Ich sagte ihm, was ich brauchte: Augenwasser, Kochsalzlösung, Verbandspäckchen und Klebepflaster. Ich rollte ein Stück Bandage ab und griff in meine Tasche, um das Messer zu holen. Dann zog ich es heraus, klappte die Klinge aus und fing an, Stücke abzuschneiden und mir aufs Knie zu legen.
    Es war still geworden im Boot. Ich sah auf und stellte fest, dass die Piraten mich anstarrten.
    »Ist was?«, sagte ich.
    »Wo hast du das her?«
    »Das?«, sagte ich und hielt das Messer hoch. Ich hatte völlig vergessen, dass sie von seiner Existenz überhaupt nichts wussten. »Oh, ihr wollt mein Messer?«
    Ich lachte, und Musso und Tall Guy lachten mit. Ich reichte das Messer Musso. Der Anführer verlangte auch meine Uhr, also machte ich sie ab und gab sie ihm. Meine Taschenlampe hatte er ja schon.
    Der Anführer jammerte wie meine Kinder damals, als sie vom Fahrrad gefallen waren. Ich wickelte den schmutzigen Lappen ab und entdeckte ein paar kleinere Schnitte auf der Handfläche. Er hielt die Luft an.
    »Ach, das ist halb so schlimm«, sagte ich. Der Anführer benahm sich, als wäre die Hand fast amputiert. Ich konnte nicht glauben, wie schnell aus diesem Piraten ein jammerndes Baby geworden war.
    Ich goss ein wenig salzhaltiges Augenwasser auf die Wunde und spülte den Dreck heraus. Dann strich ich ein wenig Balsam auf die Schnitte, legte eine antiseptische Kompresse auf, wickelte einen frischen Verband um die Hand und fixierte ihn ordentlich. Anschließend gab ich ihm Schmerztabletten und sagte, er sollte alle acht Stunden zwei davon nehmen.
    »Das müssen Sie jeden Tag machen«, sagte ich.
    Der Anführer nickte.
    Ich hatte den Eindruck, dass ich ein wenig Vertrauen aufgebaut hatte.
    Allmählich lernte ich die Eigenarten der Piraten besser kennen. Tall Guy und Musso lächelten am häufigsten. Sie waren umgänglich, gesprächig und richtig auf Draht, wenn es um Seemannschaft ging. Vielleicht sind diese Männer Seeleute, dachte ich. Sie kannten sich jedenfalls mit Schiffen aus.
    Der Anführer brachte selten ein Lächeln zustande. Er war schlau, starrte mich die ganze Zeit an und versuchte herauszufinden, was ich vorhatte. Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass meine Landsleute seine Pläne durchkreuzt hatten. Ehrlich gesagt, erinnerte er mich an ein paar Kapitäne, unter denen ich zur See gefahren war. Die Welt drehte sich einzig und allein um ihn. Aber ich muss zugeben: Er war ein guter Anführer. Er achtete streng auf die Disziplin, und seine Männer gehorchten ihm aufs Wort.
    Ein Vorfall am ersten Tag bestätigte meine Meinung über die Prioritäten des Anführers. Nachdem er sich mit den Armaturen vertraut gemacht hatte, kam er aus dem Cockpit und wollte das Geld sehen. Ein Somali reichte ihm die Tasche, und er nahm das Bargeld heraus: zwei Bündel Hunderter, ein Bündel Fünfziger, sowie Zwanziger, Fünfer und Zehner. Er fing an, das Geld in Haufen aufzuteilen, für jeden Piraten einen.
    Es kam mir so vor, als wolle er sagen: »Hier ist einer für dich, einer für dich, einer für dich und einer für mich.« Aber er legte die meisten Hunderter

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