Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
auf seinen Haufen, und die anderen bekamen die Zehner und Fünfer. Ich lachte in mich hinein. Du Hurensohn. Unter Dieben gibt es wirklich keine Ehre. Die anderen Piraten schwiegen. Ich habe das Geld nie wieder zu sehen bekommen. Als sie mir später einen Sack als Rückenstütze gaben, spürte ich zwar im Innern Geldscheine, aber ich habe das Geld nie wieder offen gesehen.
Young Guy war, wie schon der Name sagt, einfach jung. Er schien nicht ganz so abgebrüht wie die anderen drei. Ich konnte mir bei ihm vorstellen, dass er irgendwann die Piraterie an den Nagel hängen und in Mogadischu oder wo immer er herkam ein ehrlicher Bürger werden könnte. Entweder das, oder er wurde zu einem durchgeknallten Psychopathen à la Charles Manson. Immer wieder ertappte ich ihn dabei, wie er mich anstarrte, als wäre ich ein Truthahn im Käfig an Thanksgiving, und er prüfte gerade mit dem Daumen die Schärfe des Beils. Er hatte das Potenzial zum Wahnsinnigen, aber so weit war er noch nicht.
Einmal, während die anderen drei im Cockpit beschäftigt waren, fing ich sogar an, Young Guy Ratschläge zu erteilen. Ich weiß nicht, was damals über mich kam, aber er wirkte wie ein unreifes Kind, dem die ganze Sache über den Kopf wuchs. »Sie müssen sich von diesen Männer trennen«, sagte ich. »Die werden Sie auf einen Pfad zu einigen sehr schlechten Orten führen. Sie können einen anderen Pfad wählen.« Er grinste und nickte, aber ich bin nicht sicher, ob ihn die Botschaft wirklich erreichte.
Gegen Mittag wurde die Hitze so heftig, dass die Piraten beschlossen, die Fenster des Rettungsboots einzuschlagen. Tall Guy ging ins Cockpit hoch und fing an, mit der Kalaschnikow auszuholen und das Bajonett in das Plexiglas über dem nach oben gerichteten Gesicht des Anführers zu rammen. Jedes Mal sauste die Mündung nur wenige Zentimeter an seinem Gesicht vorbei. Und das Magazin steckte noch in der Waffe.
Jesus Maria, dachte ich, diese Männer sind komplette Idioten. Sie werden noch versehentlich jemanden erschießen, und dann eröffnet die Navy aus allen Rohren das Feuer.
»He, he!«, rief ich dem Anführer zu. »Sagen Sie ihm, er soll das Magazin herausnehmen, bevor er Ihnen eine Kugel in den Kopf jagt.«
Der Anführer schaute mich an und sagte etwas auf Somalisch zu Tall Guy. Der nahm das Magazin heraus und fing wieder an, gegen die Scheiben zu schlagen. Am Ende brach er zwei Fensterscheiben heraus, aber es kam kaum Luft herein. Nachts spürten wir eine angenehme Brise, aber tagsüber blieb uns nichts anderes übrig als dazusitzen und uns braten zu lassen.
Die Navy hatte irgendwie in Rekordzeit einen Somalisch-Dolmetscher aufgetrieben und an Bord der Bainbridge gebracht. Er sprach über Funk mit den Piraten. Der Anführer schaltete das Funkgerät ein und sagte: »Holt Abdullah, holt Abdullah, holt Abdullah.« Sobald Abdullah am Apparat war, verstand ich nicht mehr, was sie sagten, weil sie sich auf Somalisch unterhielten, aber ich bin überzeugt, dass sie Lösegeld forderten, während die Navy wissen wollte, in welcher Verfassung ich war. Immer wieder rief ich etwas wie »Ich bin Richard Phillips von der Maersk Alabama«, wenn der Anführer das Funkgerät einschaltete, um den Männern auf dem Kriegsschiff mitzuteilen, dass ich am Leben war.
Ich hatte nur meine Khakihosen und Socken an. Meine Schuhe hatte ich im MOB gelassen, und es war viel zu heiß, um ein Hemd zu tragen. Ich war immer schweißgebadet. Und ich wurde allmählich frustriert, weil ich bislang nicht die geringste Fluchtchance bekommen hatte. Das machte mich verrückt, und ich sagte mir: Sei kein Schlappschwanz, sobald du eine Chance siehst, hier rauszukommen, musst du sie nutzen.
Ich betete auch: »Gott, gib mir die Kraft und die Geduld, meine Chance zu erkennen und sie zu nutzen. Ich weiß, dass ich nur eine Chance bekommen werde. Schenke mir die Weisheit, sie zu erkennen.« Ich habe nie um die Flucht gebetet, ich habe nur um die Kraft, Geduld und die Erkenntnis gebetet, wann meine Zeit gekommen war. Ich bin überzeugt, Gott hilft denen, die sich selbst helfen. Ihn darum zu bitten, meine Arbeit für mich zu erledigen, ist nicht meine Art.
Aber es tat sich nichts, um meine Fluchtchancen zu verbessern. Die Somalis ließen mich keine Sekunde aus ihren wachsamen Augen. Ich fragte mich allmählich, ob ich überhaupt eine Chance bekommen würde.
Zu Hause fand Andrea kaum Schlaf. Sie lag auf meiner Seite des Betts, nur um die Nähe zu spüren, mit der Fleecejacke
Weitere Kostenlose Bücher