Höllental: Psychothriller
alle gekommen.
Richard Schröder, Bernd Lindeke, Armin Zoltek und Mara Landau. Mara und Bernd allein, Ricky zusammen mit Armin. Die Jungs trugen schwarze Anzüge mit Krawatten. Ricky sah darin bestechend gut aus, wahrscheinlich war sein Anzug maßgeschneidert. Zumindest saß er perfekt. Armins Anzug kam von der Stange, und er hatte es nur seiner guten Figur zu verdanken, dass er einigermaßen gut darin aussah.
Bernd sah entsetzlich aus. Seine Kleidung war zerknittert, so als hätte er darin geschlafen. Seine Augen waren blutunterlaufen, sein Blick hetzte von links nach rechts. Ohne Unterlass pulte er an seinen Fingernägeln herum, riss kleine Hautfetzen ab und kaute auf seiner Unterlippe herum. Blutige Spuren zeichneten sich bereits darauf ab. Zudem stank er, schlimmer noch als gestern. Sein Haar war fettig und klebte an seinem Kopf.
Sie begrüßten sich, sprachen aber nicht miteinander. Auch sahen sie sich nicht in die Augen. Aus Freundschaft war noch keine Feindschaft geworden, aber die Saat dafür war ausgebracht. Die Spannung zwischen ihnen war greifbar, aber Mara spürte noch etwas anderes. Scham. Dass sie sich heute hier trafen, um ihre Freundin zu Grabe zu tragen, war zum Teil auch ihre Schuld, und sie schämten sich dafür. Sogar Ricky. Sein sonst unantastbares Selbstbewusstsein schien angekratzt zu sein. Er litt. Wer ihn genauer beobachtete, erkannte das.
Oder war er nur nervös, weil er Gefahr lief, Lauras Eltern zu begegnen?
Bevor sie in die Kapelle durften, standen sie in der Nähe des Eingangs herum. Während die Jungs betreten zu Boden schauten, betrachtete Mara die Menschen, die sich zu Lauras Beerdigung einfanden.
Vorwiegend waren es reiche Unternehmer und Geschäftsleute aus der Stadt. Menschen, die Laura gar nicht oder nur oberflächlich gekannt hatten. Und ganz sicher hatte niemand von denen Laura so gut gekannt wie Mara. Dennoch war sie jetzt nur noch eine von vielen, ohne Bedeutung für das Leben der Waiders. Sie selbst hatte es so weit kommen lassen, dafür konnte und durfte sie niemand anders die Schuld geben.
Sie sah Lauras Eltern eintreffen und beobachtete Petra Waider bei einem Gespräch mit einem auffälligen Mann. Er war groß, braun gebrannt, hatte ein kräftiges Kinn und schwarzes Haar, das er zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Mara hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen. In der Gesellschaft der behäbigen und übergewichtigen Reichen fiel er auf wie ein Papagei in einem Schwarm Saatkrähen.
Als er schließlich auf die Kapelle zuging und darin verschwand, achtete Mara auf die Details. Ihr fiel auf, dass er zu einer schwarzen Jeans, die an den Oberschenkeln bereits verblichen war, schwarze Bergstiefel trug. Sie sah dem Mann an, dass er Bergsteiger war. Einer von den extremen Typen. Die ähnelten sich in Aussehen und Körpersprache. Wer oft genug sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, strahlte eine tiefe innere Ruhe aus. Dazu wirkte er trainiert und schien Entbehrungen gewohnt zu sein. Armin war auch Bergsteiger, sogar ein guter, aber die beiden trennten Welten.
Mara machte die Jungs auf ihn aufmerksam. »Schaut euch mal den an«, sagte sie.
»Was soll mit dem sein?«, fragte Ricky, nachdem er ihn betrachtet hatte.
»Kennt ihr ihn? Ist das vielleicht der Typ aus der Klamm?«
Ricky und Armin schüttelten gleichzeitig den Kopf, während Bernd dem Fremden mit offen stehendem Mund hinterherstarrte, als habe er gerade einen Geist gesehen.
»Nee, das ist er nicht«, sagte Ricky. »Der war zwar genauso groß, sah aber völlig anders aus. Glaube ich zumindest. Was meinst du, Armin?«
»Auf keinen Fall, das ist er nicht.«
»Habt ihr ihn schon einmal gesehen?«, fragte Mara.
Erneut schüttelten sie die Köpfe. Bernd reagierte überhaupt nicht. Mara traute sich nicht, ihn direkt anzusprechen. Sie befürchtete, er würde zusammenbrechen oder laut zu schreien beginnen.
Die Gäste strebten auf die Kapelle zu. Mara beeilte sich. Sie wollte in der Nähe des auffälligen Mannes sitzen. Wer war er? Und was hatte er mit Lauras Mutter zu besprechen? Es hatte so ausgesehen, als hätte sie ihm etwas gegeben.
In der großen Kapelle entdeckte sie ihn zunächst nicht. Da sie nicht allzu weit vorn sitzen wollte, ging sie nach rechts in den hinteren Bereich. Dort gab es keine Fenster, entsprechend dunkel war es zwischen den Säulen aus Beton. Sie entdeckte den Mann in der letzten Reihe. Er saß an der weiß getünchten Wand und sah sich um. Mara hatte eigentlich vorgehabt, sich eine Reihe
Weitere Kostenlose Bücher