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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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verschanzen habe ich gelernt. Seit einem Tag versuchen sie nun schon, diese Mauer zu durchbrechen, verstehen aber nicht, dass dazu viel weniger nötig gewesen wäre als das. Aber ich mache mir nichts vor: Sie werden ihre Strategie ändern, je länger es dauert. Ich spiele hier ein Spiel auf Zeit in der Hoffnung auf schnelle Hilfe.
    Es gibt einen Grund dafür, dass bisher nur Schreie und wüste Beschimpfungen meine Lippen verließen. Ich bin psychisch auch nicht stärker belastbar als die anderen, gut ausgebildeten Mitglieder unserer Spezialeinheit. Die Grenze dessen, was wir ertragen können, liegt gewiss weit höher als bei Durchschnittsmenschen, aber innerhalb unserer Korps ist der Level ziemlich gleich.
    Nein, was meine Lippen versiegelt, ist mein Mädchen. Oder besser mein inniger Wunsch, sie wiederzusehen. Von Beginn an war mir klar, dass sie mich töten würden, sobald ich ihnen keinen Spaß mehr bereitete. Sie wollen keine Informationen, ich besitze auch gar keine, die für sie von irgendeinem Wert wären, sie wollen den Feind quälen, den verhassten Feind, der dasselbe mit ihren Brüdern tut. Und solange sie daran Freude haben, dauerte mein Leben an.
    Also ziehe ich mich tief zurück. Ziehe mich an einen Ort in meinem Körper zurück, der für alle und alles unerreichbar ist. Dort fühle ich mich wohl, dort bin ich bei meinem Mädchen und erlebe wieder und wieder die Zeit, als wir uns kennen lernten.
    Von jetzt an bin ich nur noch Erinnerung.
     

Teil 3
    Die Beerdigung

 
    05.12.2009
     
    A m Tag der Beerdigung war der Himmel grau verhangen, und von Osten wehte ein unangenehm kalter Wind. Noch war es trocken, doch der Wind ließ Schnee bis hinunter ins Flachland erahnen. Roman konnte ihn in der klaren Luft riechen.
    Er trug eine schwarze Jeans zu einem langen schwarzen Wollmantel, dazu einen dunkelgrauen Schal. Auf eine Krawatte zum Hemd hatte er verzichtet. Er hasste Krawatten. Sie schränkten ein, fesselten, nahmen die Luft zum Atmen. Auch so kam er sich schon verkleidet vor, nicht mehr wie er selbst. Natürlich würde er trotzdem auffallen. Schon wegen seines langen schwarzen Haars, das er heute zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Und auch, weil er nicht hierhergehörte und sich wie ein Fremdkörper fühlte.
    Er war absichtlich viel zu früh angekommen und drehte eine Runde über den Friedhof. Der kalte Wind im Gesicht tat gut, konnte seine Beklemmung aber nicht vertreiben. Roman hatte bisher noch keiner Beerdigung beigewohnt. Sein Vater war verschwunden, als er drei Jahre alt gewesen war. Kurt Jäger arbeitete damals als Fernfahrer. Er war viel in Europa unterwegs. Eines Tages hatte er seinen Truck nach dem Entladen auf dem Betriebshof einer Geflügelschlachterei stehen lassen und war verschwunden. Sie hatten nie wieder von ihm gehört. Seine Mutter hatte nicht wieder geheiratet. Nach ihrer Meinung konnte man keinem Mann auf der Welt vertrauen. Sie lebte noch, aber Roman kam nur schwer mit ihr aus und war froh, durch seinen Umzug endlich einen räumlichen Abstand geschaffen zu haben. Sie war verbittert und zornig und hatte alle Verwandten schon vor Jahren in die Flucht getrieben. Sollte seine Mutter sterben, war er allein auf der Welt. So sah es aus. Daran musste er denken, als er durch die Gräberreihen schritt.
    Unterbrochen wurden seine Gedanken, als ihm der Mann auffiel. Selbst aus der Entfernung von fünfzig Metern fand Roman ihn merkwürdig. Er war so groß wie er selbst, von kräftiger Statur, hatte aber ein nicht zum restlichen Körper passendes aufgedunsenes Gesicht. Als er seine schwarze Wollmütze abnahm und sich über den Kopf strich, entblößte er eine Glatze. Er setzte sie wieder auf, zog sie tief in die Stirn und beobachtete den Friedhof mit Argusaugen. Ihre Blicke trafen sich. Der Glatzköpfige starrte ihn einen Moment an, und Roman hatte das Gefühl, geradezu durchleuchtet zu werden. Dann wandte der Mann sich ab und verschwand hinter der Kapelle.
    Als die Zeit gekommen war, postierte Roman sich am Eingang zum Friedhof.
    Gegen vierzehn Uhr fuhr die Trauergemeinschaft vor. Der teure Mercedes, den Roman schon kannte, hielt unmittelbar vor der Kapelle. Friedhelm Waider fuhr nicht selbst. Er saß hinten bei seiner Frau und half ihr beim Aussteigen. Nach und nach trafen immer mehr Fahrzeuge ein. Viele Luxuskarossen, die mehr Geld kosteten, als Roman in fünf Jahren verdiente. Friedhelm Waider schüttelte ein paar Hände, nickte jovial und wirkte in seinem dunklen Anzug und dem langen

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