Höllental: Psychothriller
dich beschäftigt. Meinst du nicht, wir sollten mal darüber sprechen, anstatt immer nur zu vögeln? Dass ihr Männer aber auch immer meint, den Macho raushängen lassen zu müssen. Gebt euren Schmerz doch einfach mal zu.«
»Hör zu, Süße, ich war verwirrt, bin es immer noch, und es tut mir wirklich leid. Ich weiß im Moment gar nicht, über was ich mit dir reden soll, weil ich so durcheinander bin … und, na ja, du hast Recht. Diese Sache nimmt mich mehr mit, als ich mir selbst eingestehen will.«
War das wirklich er? Ricky Schröder, der Womanizer, ließ sich von einer Frau die Hölle heißmachen und dazu auffordern, von seinem Schmerz zu sprechen? Und obendrein hatte er sogar noch ein schlechtes Gewissen, weil er genau wusste, dass sie einen ganz anderen Schmerz meinte als er. Quasi betrog er sie gerade, doch es ging nicht anders. Diese Wahrheit durfte sie niemals erfahren.
Das war ungewohnt für ihn, aber er war nicht völlig überrascht. Schon zu Beginn ihrer Beziehung hatte er bemerkt, dass es mit Esther anders war. Vom ersten Tag an hatte sie völlig anders mit ihm gesprochen als alle Frauen vorher, und wenn er sich selbst gegenüber ehrlich sein wollte, musste er zugeben, dass er ihre Nähe nicht ausschließlich wegen dem Sex suchte. Sie gab ihm etwas, das ihn sich in ihrer Gegenwart wohl fühlen ließ. Was genau das war, konnte Ricky nicht sagen, aber es schien damit zu tun zu haben, dass er bei ihr nie den Eindruck hatte, sich beweisen zu müssen.
Esther sah ihn mit ernstem Blick an. Ricky fühlte sich, als würde er seziert.
»Ich will ehrlich sein«, sagte sie. »Eben kam ich mir wie eine billige Nutte vor, und im Bad war ich drauf und dran, dich rauszuschmeißen … Und das wäre es für uns beide gewesen. Aber ich habe es von deiner Reaktion abhängig gemacht. Du kannst manchmal ein richtiges Arschloch und ziemlich arrogant sein. Ein bisschen Arroganz finde ich sexy, aber übertreib es nicht damit. So gut bist du nun auch wieder nicht.«
Ricky fand nicht die richtigen Worte, um sich zu verteidigen.
»Ich bin sauer«, fuhr Esther weiter fort. »Und heute Nacht will ich dich nicht hier haben. Bitte geh jetzt. Ruf mich erst wieder an, wenn dir als Entschuldigung etwas richtig Tolles eingefallen ist.«
Sie sagte ihm all das, ohne wegzusehen, sogar ohne zu blinzeln, und Ricky spürte instinktiv, dass er sie verlieren würde, wenn er jetzt auf beleidigt machte. Er war beleidigt. Ein Teil von ihm wollte ihr sagen, dass sie sich selbst ficken könne und nicht mehr mit ihm zu rechnen bräuchte. Ein anderer aber bewahrte ihn vor dieser Dummheit.
Er nickte, stand auf und zog sich an.
»Morgen Abend?«, fragte er von der Tür aus, als er fertig war.
»Lass dir was einfallen«, antwortete Esther.
Ricky wollte sich schon umdrehen, sah sie aber noch einmal an. Diese wunderschöne Frau mit dem scharfen Verstand, die scheinbar genau wusste, wie man ihn erziehen konnte.
»Entschuldige bitte«, sagte er noch einmal. Und nie zuvor in seinem Leben hatte er eine Entschuldigung so ernst gemeint.
»Du bist ein gottverdammtes Arschloch, Richard Schröder«, sagte er zu sich selbst, während er die Treppe hinunterstieg und sich den schwarzen Schal um den Hals wickelte.
Draußen schlug ihm kalte Luft entgegen. Sein Wagen parkte ein paar hundert Meter die Stra ße hinunter am Bordstein . Die Hände tief in die Taschen seines Mantels vergraben, die Schultern hochgezogen, lief er los. Nachdem er so abrupt aus dem warmen Bett geflogen war, kam ihm die Nacht besonders kalt und abweisend vor. Er fror und fühlte sich … einsam?
Ja. Er fühlte sich einsam. Auch das war neu. Ihm schien, als würde sein Leben durch die Ereignisse der letzten Tagen völlig umgekrempelt. Wie sagte man doch: Eine Krise kann auch eine Chance sein. Vielleicht sollte er diese Krise nutzen, um einmal gründlich über sein Leben nachzudenken und eine neue Strategie für die Zukunft zu entwickeln. Eventuell an Esthers Seite. Für sie schien sich der Aufwand zu lohnen.
Sein noch neuer schwarzer BMW kam in Sichtweite. Er hatte ihn fast erreicht, als er einen Schatten wahrnahm, der sich links von ihm in den Büschen bewegte.
Ricky stoppte abrupt, nahm die Hände aus den Taschen und ballte sie zu Fäusten. Binnen Sekunden wurde aus Einsamkeit Furcht.
Ricky überlegte fieberhaft, was er tun sollte.
Die Gestalt stand regungslos hinter dem dicken Stamm einer Buche. Es war dunkel, und das Licht der nächsten Straßenlaterne reichte nicht bis
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